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Jenaer Forscher entwickeln Strategie für kontaminierte Bergbauregionen

Jenaer Forscher entwickeln Strategie für kontaminierte Bergbauregionen

25.04.2012 – Waren es früher Gold, Silber oder Eisenerz, sind es heute Kupfer, Aluminium und vor allem die Seltenen Erden: Metallische Rohstoffe sind für die Industriegesellschaften unentbehrlich. Seit Jahrhunderten werden Lagerstätten erschlossen und Erze abgebaut. Doch wovon die Industrie profitiert, ist für die Natur oft ein Desaster: Sind die Minen ausgebeutet, bleiben nicht nur zerstörte Landschaften zurück. Der Boden und das Grundwasser sind oft schwer belastet, sagt Prof. Dr. Erika Kothe von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Jena. Wie sich die Regenerierungsfähigkeit der Natur an solch verwundeten Orten in verschiedenen Klimazonen Europas wieder zum Leben erwecken lässt, dafür hat der interdisziplinäre Forschungsverbund „Umbrella“ jetzt Handlungsempfehlungen vorgelegt. Die Hauptrolle darin spielen Mikroorganismen.

„Umbrella“, das von der Europäischen Union geförderte Projekt, steht für Using Microbes for the Regulation of heavy metal mobility at ecosystem and landscape scale also die Regulierung der Schwermetallbelastung durch Mikroben.

„Es gibt viele Bakterien, die Schwermetalle wie Cadmium, Nickel oder Kupfer aufnehmen und speichern können“, erläutert Kothe. „Siedelt man auf den kontaminierten Halden die richtigen Mikroben an, so entziehen diese dem Boden die Schwermetalle“, sagt die Professorin für Mikrobielle Kommunikation, die „Umbrella“ koordiniert hat. Daneben können geeignete Pflanzen die Sanierungsprozesse unterstützen, da sie Schwermetalle gezielt aufnehmen. Sind die Pflanzen unbelastet, können sie als Energiepflanzen verwendet werden, während sie mit den giftigen Stoffen verbrannt und deponiert werden können.

Gessenwiese als Testareal für Mikroben

Im Rahmen von „Umbrella“ haben in den vergangenen drei Jahren Wissenschaftler aus acht europäischen Ländern Konzepte entwickelt, die zeigen, wie für unterschiedliche Regionen mit spezifischen Kontaminationen jeweils ein optimales Konsortium aus Mikroben und Pflanzen zusammengestellt werden kann. Diese hat das „Umbrella“-Team an sechs verschiedenen Bergbau-Standorten in ganz Europa getestet, darunter in Rumänien, Schweden, auf Sardinien und in der Wismutregion, dem ehemaligen Uranerzbergbaugebiet in Ostthüringen und Sachsen.

Unter anderem haben die Forscher im Ronneburger Revier die so genannte Gessenwiese zum Testareal gemacht. Hier waren zwischen 1^971 und 1989 uran- und schwermetallhaltige Abraumhalden mit Schwefelsäure gelaugt worden. Dabei gelangten Radionukleide und Schwermetalle wie Cadmium, Nickel, Zink, Chrom und Cobalt ins Bodensicker- und ins Grundwasser. Über Bäche, die Weiße Elster und die Elbe sei die Belastung wahrscheinlich bis in die Nordsee eingetragen worden, vermuten die Forscher. Während jedoch in der Wismutregion ein milliardenschweres Programm zur Stillegung der Schächte und Rekultuvierung der Landschaft umgesetzt wurde, gab es ein solches bei der Stillegung der Blei- und Zinkminen auf Sardinien nicht. Im 20. Jahrhundert wurden hier bis zu 40 Minen ausgebeutet, allein in der Region um Montevecchio-Ingurtosu hinterließen die Bergleute 20 Millionen Tonnen Abraumhalden. Die Auswirkungen der Kontamination durch aufgelassene Bergwerke wird, wie die Forscher berichten, in Sardinien noch durch klimatische Besonderheiten beeinflusst: lange Trockenperioden und manchmal extreme Starkregenfälle, Vegetationsarmut und begrenzte Grundwasserressourcen.

Ein universelles Sanierungskonzept, so das Ergebnis von „Umbrella“, gibt es allerdings nicht. Denn so unterschiedlich die Metallbelastung an den Standorten ist, so unterschiedlich sind auch die Mikroben, die sich dort wohlfühlen. Und das nicht nur hinsichtlich ihres Metall-Appetits, sondern auch im Zusammenleben mit anderen Organismen oder im Austausch mit der unbelebten Umgebung. „Um einen Standort effizient zu sanieren, muss er daher zunächst umfassend charakterisiert werden“, sagt Kothe. Welche Mikroorganismen leben vor Ort und welche davon sind gegen Schwermetalle resistent? Welche Pflanzen wachsen und welche Pilze können die Schwermetallaufnahme in die Pflanzen unterstützen?

„Wir haben uns von jedem Untersuchungsgebiet zehn Mikroorganismen-Stämme gesucht, haben unter anderem mit Streptomyzeten und Pseudomonaden gearbeitet“, erklärt Kothe. Bei Streptomyzeten handelt es sich um pilzartige, Kolonien bildende Bakterien, die verbreitete Bodenbewohner sind. Pseudomonaden sind stäbchenförmige Bakterien, von denen einige Arten Nitrat abbauen und daher in der Abfallbeseitigung genutzt werden, andere Arten fördern im Zusammenwirken mit bestimmten Pilzen das Pflanzenwachstum. Eine Möglichkeit, Schadstoffe zu binden, sei es, deren Aufnahme in oberirdische Pflanzenteile zu fördern, erklärte Kothe. „Mit diesen werden bei der Ernte praktisch auch die Schwermetalle entsorgt“.

Auch Geowissenschaftler gehören zum Jenaer Team von „Umbrella“. Sie haben unter anderem Erkenntnisse über die Verteilungswege der Metalle im Boden und im Wasser beigesteuert, die für die Sanierung ebenfalls entscheidend sind. „Wir haben mit Bakterienstämmen gearbeitet, die Schwermetalle in ihren Zellen binden, und wir beobachten zum Beispiel mit Hilfe der Ramanspektroskopie die Bildung von Biomineralen“, erklärt Prof. Dr. Georg Büchel vom Institut für Geowissenschaften.

Von den Ergebnissen des internationalen Forscherteams, davon ist Prof. Kothe überzeugt, werde langfristig nicht nur die Natur in ehemaligen Bergbauregionen profitieren. Im Verbund bot sich motivierten Nachwuchsforschern die Chance zu Forschungsaufenthalten im Ausland.
(Dr.Ute Schönfelder/ Angelika Schimmel / OTZ)

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