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Eine erstaunliche Wende

von Heidi Gmür, Sydney

Als China seine Exportrestriktionen für seltene Erden verschärfte, explodierten die Preise und gerieten westliche Länder in Panik. Nun beugt sich Peking dem Verdikt der Welthandelsorganisation und hebt sie auf – und was passiert? Nichts.

Die Verteidigung Pekings wirkte im besten Fall originell. Nachdem die USA im März 2012 bei der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde gegen Chinas Exportrestriktionen für seltene Erden eingereicht hatten, wehrte sich das Reich der Mitte unter anderem mit dem Argument, dass diese dem Schutz seiner Umwelt dienten. So seien die Exportzölle nötig, um menschliches, tierisches und pflanzliches Leben vor der Verschmutzung zu schützen, die durch die Förderung dieser Mineralien verursacht würde. Die Exportquoten habe es derweil eingeführt, um etwa die illegale Produktion und den Schmuggel einzudämmen und so die Konservierung der erschöpfbaren Ressourcen zu sichern.

Marktkräfte spielen

Die WTO verwarf jedoch diese Argumentationslinien, zumal China den Nachweis schuldig blieb, dass die gewählten Massnahmen den angeblichen Zielen tatsächlich förderlich waren. Sie kam vielmehr zum Schluss, dass die Exportbeschränkungen die einheimische Produktion seltener Erden schützten und deren Verbrauch zur Herstellung höherwertiger Produkte im eigenen Land stärkten. Nach wie vor verbraucht China rund 70% der Weltproduktion. Nachdem Peking im vergangenen August aber mit einem Appell gescheitert war, hat sich nun die Regierung Anfang Jahr dem Verdikt gefügt und per Januar die Exportquoten aufgehoben; die Zölle sollen laut einem Behördensprecher erst im Mai fallen.

Bemerkenswert ist, wie der Weltmarkt bisher darauf reagiert hat: nämlich so gut wie gar nicht. Der Preis für seltene Erden, gemessen an Bloombergs Preisindex, blieb im Januar mehr oder weniger stabil, mit weiterhin leicht fallender Tendenz (vgl. Grafik). Das steht in starkem Kontrast zur Reaktion des Marktes vor wenigen Jahren. 2010 hatte China ein temporäres Verbot des Exports nach Japan verhängt und 2011 seine Exportquoten weltweit gesenkt. In der Folge explodierten die Preise. Westliche Industriestaaten gerieten regelrecht in Panik, da sie in hohem Masse von Importen aus China abhängig waren. Immerhin sind die 17 Elemente, die zu den seltenen Erden gehören, für die Herstellung einer Vielzahl von Hightech-Erzeugnissen unabdingbar, seien es Mobiltelefone, Flachbildschirme oder Laptops, Windturbinen, Hybridautos oder moderne Waffensysteme.

Eine erstaunliche Wende

Dass es nach dem Einlenken Chinas derart ruhig blieb, hat damit zu tun, dass die üblichen Marktkräfte in den vergangenen Jahren bereits ganze Arbeit geleistet haben. Die höheren Preise aufgrund chinesischer Exportbeschränkungen, aber auch eine erwartete Nachfragesteigerung hatten Bergbaufirmen unter anderem in den USA (Molycorp) und Australien (Lynas) auf den Plan gerufen und in die Produktion gelockt.

Aktienkurse im Keller

Derweil machte sich der Chemiekonzern Rhodia im französischen La Rochelle erstmals im grossen Stil ans Recycling von Batterien zur Wiedergewinnung der seltenen Erden. Der Anteil Chinas an der weltweiten Produktion sank denn auch von rund 98% im Jahr 2010 auf derzeit unter 90%.

Die Sorge der Abnehmer um genügend Nachschub hatte einen weiteren Nebeneffekt, nämlich Innovation, die es erlaubten, den Verbrauch seltener Erden in gewissen Produkten zu reduzieren oder gar zu substituieren. In China hatten die Exportquoten derweil die illegale Produktion und den Schmuggel – entgegen den kommunizierten Absichten Pekings – kaum behindert. Experten schätzen, dass noch 2011 rund 30%–50% der Nachfrage auf dem Weltmarkt mit geschmuggelter Ware aus China befriedigt worden ist.

Alles in allem schlossen sich die tatsächlichen – und vermeintlichen – Angebotslücken relativ rasch und sank zudem die Nachfrage; zuletzt schöpfte China nicht einmal mehr seine Exportquoten aus – so hatte es etwa im vergangenen Jahr knapp 28 000 t exportiert, während die Quote bei über 30 000 t gelegen hätte. Wenig verwunderlich, hatte deren Abschaffung kaum Folgen. Der Preis war im Laufe dieser Entwicklungen seit dem Rekordhoch im Jahr 2011 freilich so tief gesunken, dass bereits über einen bevorstehenden Konkurs des amerikanischen Unternehmens Molycorp spekuliert wurde; war dessen Aktie 2011 noch über 74 $ wert, wird sie heute für etwas über 70 Cent gehandelt. Der Preiszerfall von seltenen Erden hat auch die Aktien des australischen Unternehmens Lynas tief in den Keller geschickt – von über austr. $ 2.50 im Jahr 2011 auf derzeit austr. $ 0.045.

Dass die Abschaffung der Exportquoten keine Folgen auf den Weltmarktpreis hatte, ist aufgrund dieser Entwicklungen wenig verwunderlich. Analytiker schliessen hingegen nicht aus, dass sich der Preisdruck zusätzlich erhöht, wenn China im Mai wie angekündigt auch die Exportzölle abschafft.

Gravierende Umweltprobleme

In einem Punkt hatte die WTO China übrigens nicht widersprechen können: Die Förderung des Erzes und die anschliessende Gewinnung der seltenen Erden bergen gravierende Gefahren für Mensch und Umwelt. Das war mit ein Grund, warum China überhaupt eine Quasimonopolstellung hatte aufbauen können; es kann nicht nur darum günstiger als andere Länder produzieren, weil die Arbeit billiger ist, sondern auch, weil seine Umweltauflagen weniger strikt sind als anderswo. Selbst Molycorp verarbeitet einen Teil seines in den USA geförderten Erzes in China weiter. Lynas hat die Raffinierung derweil nach Malaysia ausgelagert.

Die WTO anerkannte aber zugleich, dass China in jüngerer Zeit seine Anstrengungen in diesem Bereich wesentlich erhöht habe. Macht die chinesische Regierung Ernst und verwendet ihre Energie künftig statt auf Export- vermehrt auf Umweltkontrollen sowie die Bekämpfung der illegalen Förderung und des Schmuggels, dürfte dies wiederum die Weltmarktpreise stützen – denn vorerst kommt der Rest der Welt nicht um seltene Erden aus China herum.

Quelle: http://www.nzz.ch/finanzen/eine-erstaunliche-wende-1.18477846

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