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China zeigt sich zunehmend selbstbewusst

China zeigt sich zunehmend selbstbewusst

25.04.2012 – Während sich China auf der Hannover Messe als verlässlicher Handelspartner präsentiert, wächst in der deutschen Industrie das Unbehagen über den Giganten aus Fernost. Denn die Volksrepublik setzt ihre Macht immer ungenierter ein. Der Westen muss sich vor allem bei Rohstoffen auf eine noch härtere Gangart einstellen. „Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung“, warnte Sven T. Marlinghaus, Partner bei dem auf globalen Einkauf spezialisierten Beratungshaus BrainNet, im Gespräch mit t-online.de. Derweil reagiert die Industrie mit der Gründung einer Einkaufsallianz.

Von den harten Bandagen kann schon die deutsche Windkraft- und Solarbranche ein Lied singen. Gerade wachse in China eine Windkraftindustrie heran, warnte der TÜV Rheinland, das ist einer der größten Prüfer bei Windkraft und der weltgrößte Zertifizierer von Fotovoltaikanlagen. Die Fotovoltaik zeige, wie schnell China Technikkompetenz aufbaue. Während eine Pleitewelle über die deutsche Branche rollt, habe China binnen nicht einmal einem Jahrzehnt eine Branche mit mehr als 400 Unternehmen aufgebaut, urteilt der TÜV.

Ende der Bescheidenheit

„Dieses Vorgehen ist typisch für die chinesische Industrie- und Handelspolitik“, urteilte BrainNet-Manager Marlinghaus im Gespräch mit t-online.de. Heimische Unternehmen würden staatlich gehegt und gepflegt und dann erfolge die Expansion mit Kampfpreisen im Ausland. „Alle sind nervös – denn China setzt seine Macht bewusst ein“. BrainNet hat selbst 40 Mitarbeiter in China und konstatiert im Umgang Chinas gegenüber des westlichen Industrie ein Ende der Zurückhaltung.

Das beste Beispiel dafür sei die Gründung der Chinese Society of Rare Earths Anfang April. Zu dem Dachverband für Seltene Erden gehören 155 Unternehmen, darunter die großen staatlichen Firmen Aluminium Corp of China und China Minmetals Corp. „Natürlich werden diese Konzerne bevorzugt beliefert“, erläuterte der BrainNet-Manager. Die USA, die EU und Japan beschuldigten China zuletzt im März in einer Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) der Manipulation des Marktes.

Ob die neu gegründete Rohstoffallianz der deutschen Industrie dagegen hilft, muss sich zeigen. Sie wurde gerade als offiziell als GmbH eingetragen. In ihr haben sich bisher zehn Großkonzerne zusammengeschlossen, wie die Geschäftsführung in Berlin erläuterte. Die Gesellschaft will sich sowohl bei der Erschließung und Ausbeutung von Rohstoffvorkommen in aller Welt engagieren als auch bei der Versorgung auf internationalen Märkten gemeinsam auftreten, um „die Abnahme zu bündeln“, wie es hieß.

Die zehn Gründungsunternehmen kommen im wesentlichen aus Auto-, Chemie- und Schwerindustrie: Aurubis, BASF, Bayer, Bosch, Rockwood Lithium, Evonik, Georgsmarienhütte, Stahlholding Saar, ThyssenKrupp und Wacker Chemie. Als weitere Mitglieder stehen BMW und Daimler bereits fest. Gespräche würden mit etwa der doppelten Anzahl von Interessenten geführt. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft seien Aktivitäten des jeweiligen Unternehmens in Deutschland.

Deutsche Industrie agiert hilflos

Tatsächlich habe die deutsche Industrie bisher noch kein Mittel gegen das Reich der Mitte gefunden, fuhr Marlinghaus fort. Das liege auch daran, dass sie sich noch immer nicht auf die neue Lage eingestellt habe – dies gelte vor allem für die immer wichtiger werdenden Seltenen Erden.

Marlinghaus zitierte den Fall eines mittelständischen deutschen Autozulieferers, der anonym bleiben wolle: Der habe im vergangenen Jahr bei Dauermagneten eine Preissteigerung in dreistelliger Millionenhöhe für Seltene Erden hinnehmen müssen.

Hersteller müssen sich an Minen beteiligen

Marlinghaus empfiehlt Einkäufern, verstärkt in den jeweiligen Beschaffungsmärkten vor Ort präsent zu sein. Marktsignale und Strukturen würden so besser und schneller erkannt. Zurzeit reiche die Qualifikation nicht aus, um gerade bei neuen Technologien künftige Preisschocks vorherzusagen und durch vorausschauende Disposition auszugleichen. Gegen starke Preisschwankungen können sich Einkäufer beispielsweise durch Hedging absichern. Dies geschieht jedoch noch viel zu selten, da die Zusammenarbeit zwischen der Finanzabteilung und dem Einkauf häufig nicht optimal ist.

Zudem müssten deutsche Firmen langfristiger denken und die chinesische Macht durch Direktinvestitionen kontern. So sollten deutsche Firmen Beteiligungen an Minen oder Plantagen erwerben. Tatsächlich lagern nur rund ein Drittel der Seltenen Erden in China; große Vorkommen gibt es vor allem in Australien.

China baut eine Frachter-Flotte

„China ist bei der langfristigen strategischen Planung dem Westen eindeutig voraus“, beobachtet der Manager. Peking baue beispielsweise gezielt eine Frachter-Flotte für den Transport der Rohstoffe auf. Außerdem kaufe das Land überall Anteile an Rohstoff-Firmen.

Diesen Expansionsdrang hat gerade Argentinien zu spüren bekommen: Offenbar schloss sich der chinesische Staatskonzern Sinopec mit dem spanischen Ölkonzern Repsol zusammen. Die Chinesen wollten die Anteile an der argentinischen Ölfirma YPF von Repsol kaufen, berichtete die „Financial Times“. Unter anderem deswegen habe Argentinien YPF teilverstaatlicht.

Mehr Recycling nötig

Ein weiteres Gegenmittel gegen den chinesischen Kaufrausch bei Rohstoffen seien Recycling und geschlossene Wertstoff-Kreise, fuhr Marlinghaus fort. So könne es nicht sein, dass ungenutzte Handys in Schubladen herumliegen. Zudem müssten die Hersteller verstärkt nach Alternativen forschen, gerade bei Seltenen Erden. Siemens suche beispielsweise nach Ersatz für die Stoffe in Permanent-Magneten.

Alles in allem riet der BrainNet-Partner der Industrie zu einer intensiven Analyse der Handelsbeziehungen mit China: „Deutsche Unterhemen unterschätzen die Herausforderungen, die durch China auf sie zukommen.“
(t-online.de – Frank Lansky, mit dapd)

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