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Seltene Erden: Europa will weniger abhängig von China werden

Vergangene Woche wurde in Brüssel ein neuer Branchenverband gegründet, der alle Akteure der Lieferketten für seltene Erden zusammenbringen soll. Diese Rohstoffe sind für erneuerbare und CO2-arme Technologien von entscheidender Bedeutung.

Die neue Vereinigung sei „das erste wirklich globale Netzwerk“ für seltene Erden und Metalle, sagten Vertreter des Verbandes bei einer Gründungsveranstaltung am Mittwoch.

Die Gruppe mit dem Namen Rare Earths Industry Association (REIA) hat 12 Gründungsmitglieder aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Japan und China. Es ist der erste Handelsverband für seltene Erden in Europa und der einzige außerhalb Chinas.

In einer gemeinsamen Erklärung erklärten die Mitglieder der neuen Handelsgruppe, ein Hauptziel bestehe darin, die Transparenz in der gesamten Lieferkette zu „unterstützen“. Ursprünglich mit Mitteln aus dem EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 entwickelt, ist der Verband inzwischen unabhängig.

Unter „seltenen Erden“ versteht man eine Gruppe von 17 Metallen, die in der Natur üblicherweise gemeinsam vorkommen. Entgegen des Namens sind sie relativ häufig, ihr Abbau kann jedoch teuer und sehr umweltschädlich sein. Die Stoffe verbessern die Leistung von Katalysatoren, Röntgengeräten und Smartphones und werden auch als starke Magnete in Elektroautos und Windkraftanlagen verwendet.

Die Lieferkette für seltene Erden ist berühmt-berüchtigt dafür, besonders undurchsichtig zu sein. China dominiert dabei die Gewinnung, Verarbeitung und Herstellung der Metalle. Diese Versorgungskonzentration wurde während der „Krise um seltene Erden“ in den Jahren 2010-2012 deutlich, als ein Territorialstreit zwischen China und Japan zu einem Handelsembargo eskalierte.

In der daraus resultierenden Panik lagerten Technologieunternehmen seltene Erden ein und die Preise stiegen dramatisch an. Während der Handel mit seltenen Erden inzwischen wieder relativ stabil ist, schüren die Spannungen zwischen den USA und China die Angst vor einer neuen Krise.

Seltene Erden als „politische Waffe“

„2011 hat die Notwendigkeit einer globalen Vereinigung deutlich gemacht,“ glaubt auch Nabeel Mancheri, Senior Researcher an der Katholischen Universität Löwen, der die neue Vereinigung mit ins Leben gerufen hat. „Damals gab es eine Informationslücke zwischen den verschiedenen Akteuren der Branche,“ erklärt er.

Bisher hatte es – im Gegensatz zu vielen anderen wichtigen Metallen – keinen global agierenden Industrieverband für seltene Erden gegeben.

„Dieses Projekt wurde mit einem Fokus auf Internationalisierung begonnen – wir wollten alle an den Tisch bringen,“ fügt Mancheri hinzu. Er hoffe, dass ein Verband zur Verbesserung der Handelsbeziehungen beitragen kann: „Wir stehen für offenen Handel und liberale Politik. Und obwohl es Handelsstreitigkeiten gibt, würden wir immer an Unternehmen und Regierungen appellieren, keinerlei Handelseinschränkungen vorzunehmen.“

Milan Grohol, politischer Leiter in der Direktion Rohstoffe der Europäischen Kommission, zeigte sich auf der Konferenz zur Verbandsgründung besorgt über den seiner Ansicht nach „sich verstärkenden nationalen Protektionismus“.

„Wir haben erlebt, wie seltene Erden als politische Waffe eingesetzt werden,“ so Grohol. „Da sich die EU auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft befindet, sind wir sehr besorgt darüber.“ Der EU-Beamte bezeichnete den Markt für seltene Erden als einen der konzentriertesten, was „keine sehr gute Nachricht für den Freihandel“ sei.

Laut dem stellvertretenden Direktor der Association of China Rare Earth Industry, Chen Zhanheng, war die EU 2018 mit 52 Prozent der Exporte mit Abstand der größte Importeur von chinesischen Magneten aus seltenen Metallen, gefolgt von den USA mit 17 Prozent. Zu den möglichen Auswirkungen des Handelskrieges mit den USA auf die Lieferketten von seltenen Erden wollte Zhanheng sich nicht äußern.

Europas Abhängigkeit

Die Europäische Union ist bei ihren Versorgung mit seltenen Erden vollständig von Importen abhängig; die meisten davon kommen aus China. Nach den Preisschocks von 2011 wurden die seltenen Erden in die Liste der „kritischen Metalle“ der Kommission und in die sogenannte Rohstoffinitiative aufgenommen. Letztere zielt darauf ab, den Zugang der Union zu nachhaltigen Lieferungen aus dem Ausland zu gewährleisten.

„Es geht nicht darum, ressourcenunabhängig zu sein,“ machte Grohol deutlich. Wichtig sei aber eine „Diversifizierung des Angebots“. Mit anderen Worten: Die Suche nach Rohstoffquellen außerhalb Chinas.

Die heimische, eigene Versorgung mit seltenen Erden ist ebenfalls ein Aspekt der Rohstoffinitiative. Seit 2010 finanziert die EU Projekte zur Erkundung von entsprechenden Minen. Trotz teils „sehr guter“ Entdeckungen verhindern die bestehenden Marktbedingungen und Preisschwankungen die Inbetriebnahme solcher Minen, erklärte Grohol.

Rene Kleijn, Industrieökologe an der Universität Leiden, glaubt dennoch, dass es in Europa langsam mehr Minen für seltene Erden geben wird – „obwohl sie strengere Umweltgesetze einhalten und höhere Arbeitskosten aufwenden müssen“.

Auch das Recycling von seltenen Erden stand bei der Veranstaltung zur Verbandsgründung oben auf der Agenda. Laut einem Bericht aus dem Jahr 2018 wurden in den vergangenen zehn Jahren 39 Millionen Euro an EU-Mitteln für Forschung und Entwicklung im Bereich des Recyclings von seltenen Erden ausgegeben. Industrielle Recyclinganlagen sind aktuell aber scheinbar nicht geplant.

Laut Bericht liegt dies vor allem an einem Mangel an Projekten zur Sammlung für das Recycling. Kleijn erläuterte dazu, es gebe außerdem eine zeitliche Verzögerung zwischen dem Verbrauch/der Nutzung der Technologien auf Basis seltener Erden und dem Zeitpunkt des Recyclings: „Die ersten Hybrid-Elektroautos kommen jetzt gerade erst am Ende ihrer Lebensdauer an; und die derzeit installierten Windturbinen werden erst in 10-15 Jahren recycelt,“ so Kleijn.

Grohol gab sich mit Blick auf die Förderung seltener Erden in der EU recht skeptisch: „Aktuell verlieren wir an allen Fronten, vom Abbau über die Verarbeitung bis hin zum Recycling. Das ist sehr beunruhigend.“ Um die Versorgung sicherzustellen., müsse man auf eine weitere „Diversifizierung“ der Quellen drängen und „Partnerschaften mit anderen Ländern“ hochhalten.

Auch finanziell scheint sich Europa darauf einzustellen: Laut neuesten Plänen sollen fast 100 Millionen Euro aus den Horizon 2020-Fördertöpfen für Forschung und Innovation im Bereich Rohstoffe bereitgestellt werden.

 

Quelle: Von: Laura Cole | EURACTIV.com | translated by Tim Steins
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