19.03.2012 – Polarschmelze gibt tonnenweise Bodenschätze frei
Eldorado am Polarkreis: Das schwindende Eis gibt wertvolle Erze frei. Allein im Süden Grönlands lagern geschätzte 6,5 Millionen Tonnen an Seltenen Erden.
Die globale Erwärmung lässt Grönlands Gletscher und das Meereis vor der Küste der arktischen Insel immer schneller schmelzen. Dadurch sind die Rückzugsgebiete von Eisbär, Moschusochse, Polarwolf und Walen bedroht.
Den dramatischen Eisschwund bestätigen Satellitenbeobachtungen der vergangenen Jahrzehnte. Auch die bis zu dreieinhalb Kilometer mächtige Inlandeisdecke schmilzt. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung könnte sie innerhalb von 500 Jahren um ein Fünftel an Masse verlieren.
Geht der Trend so weiter, wäre Grönland in 2000 Jahren völlig eisfrei. Was Umweltschützer weltweit mit Sorge erfüllt, lässt viele der kärglich von Fischerei und etwas Tourismus lebenden knapp 60.000 Grönländer auf mehr Wohlstand hoffen.
Das weichende Eis macht die reichen Rohstoffvorkommen der Insel zugänglich. Neben Erzen wie Uran, Zink, Eisenerz, Kupfer und Gold bergen die uralten Gesteine Grönlands auch große Mengen der als Seltene Erden bezeichneten Metalle, darunter Lanthan, Cer, Neodym, Praesodymium, Terbium und Yttrium.
Wegen ihrer besonderen Eigenschaften kommen sie in Handys, Laptops, Flachbildschirmen, Brennstoffzellen, LED-Leuchten, Motoren für Elektroautos und in der Lasertechnik zum Einsatz und bilden so die stoffliche Basis für ganze Hightechindustrien.
Bislang kommen 97 Prozent der strategisch bedeutsamen Metalle aus China, das über eins der reichsten Vorkommen an Seltenen Erden verfügt. Ein Monopol, das in den Augen der Weltgemeinschaft zu einseitigen Rationierungen und gewaltigen Preissteigerungen auf den Rohstoffmärkten geführt hat. Nun wollen die Europäische Union, die USA und Japan den Kontrahenten China vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation verklagen.
Der Monopolist könnte bald Konkurrenz bekommen. Im weitgehend eisfreien Süden Grönlands, in einer hügeligen Gegend, in der die weichenden Gletscher eine Marslandschaft aus nacktem Gestein, Geröll und Schutt hinterlassen haben, liegt das Kvanefjeld. Für das Gebiet hat die in Westaustralien ansässige Firma Greenland Minerals and Energy Explorationslizenzen erworben und Probebohrungen durchgeführt.
Ergebnis: Mindestens 6,5 Millionen Tonnen an Seltenen Erden schlummern im Gestein, schätzt das Unternehmen. Hinzu kommen große Mengen an Uran. Das hat nicht nur die Börse beeindruckt und den Aktienkurs des kleinen Unternehmens zeitweise in schwindelerregende Höhen getrieben. „Es handelt sich um eines der größten Seltene-Erden-Vorkommen der Erde“, stellt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover in einem Bericht fest.
Sehr frühe Phase
Und das ist noch nicht alles. „Weitere wichtige Beiprodukte könnten Zink, Zirkonium, Lithium, Beryllium und Natriumfluorid sein“, so die BGR-Experten. Sie schätzen das Gesamtvorkommen an Erzen im Kvanefjeld-Vorkommen auf 457 Millionen Tonnen. Darin sind Metalle Seltener Erden in Form oxidierter Verbindungen mit einem Gehalt von gut einem Prozent im Gestein enthalten. Das entspricht rund 4,9 Millionen Tonnen, was etwas weniger ist, als das Unternehmen angegeben hatte.
Angesichts einer globalen Nachfrage von derzeit 190.000 Tonnen im Jahr würden die Vorräte aber ausreichen, um die Welt mindestens ein Vierteljahrhundert lang mit den begehrten Rohstoffen zu versorgen.
Doch die Kosten sind hoch: Gut 2,3 Milliarden US-Dollar müssten in Technik investiert werden, um die Schätze aus dem Boden zu fördern und aus dem Gestein herauszulösen, schätzen die Australier. Man habe bereits „signifikante Fortschritte bei der Aufbereitung der Minerale und Effizienzverbesserungen erzielt“. Die BGR-Experten aber gehen davon aus, dass sich das Projekt noch in einer sehr frühen Phase befindet.
Die EU hat 14 Rohstoffe als kritisch eingestuft, weil sie eine hohe ökomische Bedeutung für die Hightech-Industrie haben und zugleich ein hohes Lieferrisiko bergen. Die Stoffe sind…
Die Aussichten auf riesige Rohstoffvorkommen locken immer mehr Explorationsfirmen auf die Insel. Ihre Geologen wissen, dass die grönländischen Gesteine zu den ältesten der Welt gehören, und die sind bekannt für ihren Reichtum an hochwertigem Eisenerz.
Vor Urzeiten setzte sich das reichlich im Wasser der Ozeane gelöste Eisen in Schichten auf dem Meeresboden ab und verfestigte zu Gesteinen. Sie werden wegen ihres gestreiften Aussehens auch als Bändererze bezeichnet. So bildeten sich gewaltige Lagerstätten aus Magnetit, einem Mischoxid aus zwei- und dreiwertigem Eisen. Einschlüsse mit 25 Tonnen schweren Klumpen aus gediegenem Eisen wurden in den bis zu 3,8 Milliarden Jahre alten grönländischen Gesteinen gefunden.
Reiche Ausbeute verspricht sich deshalb das britische Unternehmen London Mining. Es hat von der grönländischen Regierung die Schürfrechte für die Region um die Halbinsel Isua erworben, die 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Nuuk im Westen der Insel liegt, und dort Probebohrungen durchgeführt. Expertisen unter anderem von der Studiengesellschaft für Eisenerzaufbereitung – ein Forschungsdienstleister der Deutschen Stahlindustrie – weisen in den Proben auf einen Eisengehalt von über 70 Prozent hin.
Hochreines Eisenerz
Das britische Unternehmen erwartet in dem Explorationsgebiet insgesamt rund 950 Millionen Tonnen hochreines Eisenerz. Eigentlich sollte der Abbau in diesem Jahr beginnen. Doch noch fehlt es an der nötigen technischen Ausrüstung, genauer: am Geld dafür. Auf zwei bis 2,5 Milliarden US-Dollar beziffert London Mining die Kosten. „Die chinesische Stahlindustrie hat bereits ihr ernsthaftes Interesse an dem Projekt bekundet“, sagt Graeme Hossie, Geschäftsführer des Unternehmens.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Auch die Europäische Union befasst sich mit dem in Grönland ausbrechenden Rohstoffrausch: Soll das nur lose mit Dänemark verbundene, politisch weitgehend autonome, strukturschwache Land Unterstützung erhalten, und wie schwer wiegen die Bedenken von Umweltschützern?
Für deren heftigen Protest sorgte kürzlich die Ankündigung der kanadischen Firma Quadra Mining, bei Malmbjerg im Nordosten Grönlands reiche Molybdänvorkommen in einem Nationalparkgebiet abzubauen. Von der grönländischen Regierung wurde das Projekt daraufhin gestoppt, vorerst.
Zu den umstrittenen Vorhaben gehört auch der Bau einer großen Aluminiumschmelze. Dafür sind nicht nur gewaltige Mengen, sondern auch besonders kostengünstiger elektrischer Strom nötig. Für Grönland wäre das kein Problem. Die schmelzenden Gletscher liefern billige Wasserkraft in Hülle und Fülle. Noch ist das aber Zukunftsmusik.
Nicht nur an Land, auch in den Gewässern vor Grönland ist die Schatzsuche in vollem Gang. Explodierende Energiepreise und eine immer länger werdende eisfreie Saison machen die kostspielige Förderung von Erdöl und Erdgas in arktischen Gewässern lukrativ. Davon profitiert Grönland schon jetzt.
„Seit 2002 haben wir 36 Explorationslizenzen an Öl- und Gasförderunternehmen vergeben, allein 20 davon im Vorjahr “, sagt Hans Kristian Olsen. Der Manager führte die Geschäfte von Nunaoil, einem staatseigenen Unternehmen, das sein Geld mit der Vergabe von Erkundungsrechten verdient. Große Energieunternehmen stehen bei ihm Schlange: Cairn Energy, Chevron, ConocoPhillips, Dong E&P, Esso, GDF Suez, Husky Energy, Maersk Oil, P. A. Resources, Petronas, Shell, Statoil:
Vorkommen nicht ergiebig genug
Sie alle suchen vor Grönland nach Öl und Gas. Die Unternehmen teilen sich vier Explorationsgebiete vor der Westküste, die zusammengenommen eine Fläche von 71.000 Quadratkilometern bedecken. Das ist so groß wie der Freistaat Bayern.
Noch sind die meisten Projekte nicht über seismische Studien hinausgekommen. Einige wenige Probebohrungen haben erste Ergebnisse geliefert. Nicht immer fallen sie zufriedenstellend aus. Zwar hat das schottische Mineralölunternehmen Cairn Energy hoch im Nordwesten vor Grönland im Melville Sub Basin bereits Öl gefunden. Doch das Vorkommen ist nicht ergiebig genug, um wirtschaftlich ausgebeutet zu werden.
Das kann Olsen den Optimismus nicht verderben. Er setzt ganz auf den Klimawandel und auf Grönlands Energieschätze: „Wenn das zurückweichende Meereis den Transport über die Nordost- und Nordwestpassage ganzjährig ermöglicht, werden auch die Kosten sinken.“
Quelle: Welt online