Erstes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit einer afrikanischen Region wird Realität
14.05.2012 Brüssel – Das Handels- und Entwicklungsabkommen, das die EU mit den vier Staaten des östlichen und südlichen Afrika Mauritius, Madagaskar, Seychellen und Simbabwe abgeschlossen hat, wird heute wirksam.
EU-Handelskommissar Karel De Gucht erklärte dazu: „Ab heute gilt unser erstes Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit einer afrikanischen Region. Das sind hervorragende Neuigkeiten, und den Verhandlungspartnern und allen Beteiligten auf allen Seiten gebührt meine Anerkennung für ihre Arbeit. Mit dieser Handelsvereinbarung hoffen wir, zur Entwicklung unserer Partner im östlichen und südlichen Afrika beizutragen und bessere, dauerhafte Geschäftschancen zu eröffnen.“
Durch das Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen erhalten Mauritius, Madagaskar, die Seychellen und Simbabwe zoll- und kontingentfreien Marktzugang für Exporte in die EU. Diese Länder wiederum werden ihre Märkte in den kommenden 15 Jahren schrittweise für europäische Exporte öffnen, mit Ausnahme bestimmter, von ihnen als sensibel eingestufter Produkte. Außerdem enthält das Abkommen Bestimmungen über Ursprungsregeln, Entwicklungszusammenarbeit, Fischerei, handelspolitische Schutzmaßnahmen und Streitbeilegung. Es stellt daher für die vier Länder eine Verbesserung der einseitigen Zoll- und Kontingentfreiheit dar, die sie bisher bereits genossen haben, da es die regionale Integration fördert und einen partnerschaftlichen Ansatz im Verhältnis mit der EU betont. Regionale Integration bringt wirtschaftliche und politische Vorteile, die einzelne Länder alleine nicht erreichen können.
Ende 2007 schlossen die Komoren, Madagaskar, Mauritius, die Seychellen, Sambia und Simbabwe ein Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU ab. Schließlich unterzeichneten vier von ihnen (Madagaskar, Mauritius, Seychellen und Simbabwe) im August 2009 in Mauritius das Abkommen. Diese vier Länder haben inzwischen Schritte zur Ratifizierung eingeleitet und abgeschlossen oder haben die Anwendung notifiziert, so dass das Abkommen ab heute angewandt werden kann. Sobald es alle Vertragsparteien einschließlich aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert haben, tritt das Abkommen offiziell in Kraft.
Hintergrund
2000 schlugen Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) einerseits und die EU andererseits mit dem Cotonou-Abkommen den Weg zu ehrgeizigeren Handels- und Entwicklungsbeziehungen ein, die nicht nur den Warenverkehr, sondern auch Dienstleistungen, handelsbezogene Regelungen und die Entwicklungszusammenarbeit umfassen sollten. Die regionale Integration zu stärken und effizientere regionale Märkte mit berechenbaren und stabilen Regeln zu schaffen, sind die Eckpfeiler dieses Konzepts. Diese neuen Abkommen sollten von der EU-Entwicklungszusammenarbeit untermauert werden, damit die institutionellen Kapazitäten und die Produktionskapazitäten der AKP-Staaten gestärkt und notwendige Anpassungsprozesse unterstützt werden.
Die Verhandlungen für solch umfassende Handels- und Entwicklungsabkommen, wie im Cotonou-Abkommen vorgesehen, begannen 2002; als das Auslaufen der Cotonou-Handelsregelungen am 31. Dezember 2007 näherrückte, wurde allerdings klar, dass es nicht in allen AKP-Regionen möglich sein würde, die Verhandlungen bis dahin abzuschließen.
Daher wurde eine Reihe von Interimsabkommen geschlossen, um mögliche Handelsstörungen für die AKP-Partnerländer nach dem Auslaufen der Cotonou-Handelsregelung auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig auf dem Weg zu umfassenden regionalen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) weiter voranzuschreiten. Während das Interimsabkommen in den jeweiligen Ländern das Genehmigungsverfahren durchlief, blieb den Ländern der zoll- und kontingentfreie Zugang zum EU-Markt erhalten.
Das Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Madagaskar, Mauritius, den Seychellen und Simbabwe ist also als Grundstein für eine weiter gehende und umfassendere Vereinbarung zu sehen, über die die EU und die gesamte Region des östlichen und südlichen Afrika derzeit Verhandlungen führen. Die Verhandlungen über ein umfassendes WPA wurden Anfang 2008 mit allen Ländern des östlichen und südlichen Afrika wiederaufgenommen, auch mit denen, die dem Interims-WPA nicht beigetreten waren (Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Komoren, Malawi, Sambia und Sudan). Gemeinsames Ziel bei diesen Verhandlungen ist ein Abkommen auf regionaler Ebene, das die nachhaltige Entwicklung unterstützt und die regionale Integration fördert. Ein umfassendes WPA könnte Bereiche einschließen, die über den Warenverkehr hinausgehen: Dienstleistungen und Investitionen sowie mit dem Handel zusammenhängende Bereiche wie nachhaltige Entwicklung, Wettbewerb und Handelserleichterungen.
Handelszahlen
Die gesamten EU-Importe aus den vier Ländern des östlichen und südlichen Afrika beliefen sich 2011 auf 2 Mrd. EUR. Hauptsächlich wurden verarbeiteter Thunfisch, Kaffee, Rohrzucker, Textilien, Tabak, Schnittblumen und Metalle eingeführt. Der Wert der Exporte der EU in diese vier Länder betrug im gleichen Jahr 1,7 Mrd. EUR; hierbei handelte es sich in erster Linie um Maschinen, Fahrzeuge, Arzneimittel und Chemikalien.
WPA-Verhandlungen mit anderen AKP-Regionen
Die WPA-Verhandlungen mit anderen afrikanischen Regionen haben im letzten Jahr an Intensität zugenommen. Kürzlich wurden auf technischer Ebene Fortschritte mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft und mit Westafrika erzielt. Bei ausreichendem politischen Willen und Engagement bestehen reelle Aussichten, im Laufe des Jahres 2012 mit vielen afrikanischen Regionen zu einer Vereinbarung zu gelangen. Im karibischen und im pazifischen Raum konzentrieren sich die EU und ihre Partner im Cariforum sowie Papua-Neuguinea darauf, die bestehenden Vereinbarungen durchzuführen, die seit dem 29. Dezember 2008 bzw. dem 29. Dezember 2009 vorläufig gelten.
Weitere Informationen:
Handelsbeziehungen der EU mit dem östlichen und südlichen Afrika
Informationsblatt zum Interims-WPA mit dem östlichen und südlichen Afrika:
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/march/tradoc_149213.pdf
Text des Interim-WPA:
http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ:L:2012:111:SOM:DE:HTML
(europa Presse Mitteilung)
Kontakt:John Clancy (+32 229-53773)
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