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Die deutsche Öffentlichkeit setzt sich intensiv mit China auseinander – Exklusiv

Die deutsche Öffentlichkeit setzt sich intensiv mit China auseinander – Exklusiv

Frank Hartmann, Chef der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Beijing, sprach mit China.org.cn über den jüngsten Chinabesuch der Bundeskanzlerin sowie über die deutsch-chinesische Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Medien und Kultur.

Die deutsche Öffentlichkeit setzt sich intensiv mit China auseinander – Exklusiv

Frank Hartmann, Chef der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Beijing (german.china.org)

China.org.cn: Die Bundeskanzlerin Angela Merkel war vorletzte Woche zu einem dreitägigen Besuch in China. Dabei war die deutsch-chinesische Zusammenarbeit gegen die Eurokrise auch ein wichtiges Thema. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat inzwischen erklärt, dass China ein stärkeres Engagement bei den Rettungsinstrumenten EFSF und ESM in Erwägung ziehe. Wie sieht die deutsche Seite die chinesische Haltung und die bisherigen Maßnahmen Chinas bei der Überwindung der Schuldenkrise?

Hartmann: Der Besuch der Bundeskanzlerin war zeitlich sehr günstig, sie hat kurz nach dem europäischen Gipfel in Brüssel den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao über die Ergebnisse des EU-Gipfels unterrichtet, dabei vor allem über die Fiskalunion, die sie mit auf den Weg gebracht hat, um den Euro langfristig zu stabilisieren.
Uns ist bewusst, dass die Hauptverantwortung für die Stabilisierung des Euros und die Lösung der Krise bei den Europäern selbst liegt. Wir wollen mit diesem Fiskalpakt dauerhafte fiskalpolitische Strukturen schaffen, die eine neue Krise verhindern sollen. Und es ist ganz klar, dass die Europäer diese Veränderungen erst einmal selbst bewältigen müssen. Aber China – und das hat Ministerpräsident Wen Jiabao sehr gut gesagt – hat ebenso wie wir ein großes Interesse an der Stabilität des Euro. Wir begrüßen deshalb sehr, dass China in Zukunft vermehrt in Europa investieren möchte und dass China sein Vertrauen in die Stabilität des Euros zum Ausdruck gebracht hat. Die Bundeskanzlerin hat nochmal ganz ausdrücklich begrüßt, dass China sowohl in Europa investieren als auch sich an den europäischen Stabilisierungsmechanismen beteiligen möchte oder zumindestens zugesagt hat, dass man eine Beteiligung prüfen werde. Ob China dann tatsächlich die von den europäischen Stabilitätsmechanismen ausgegebenen Papiere kaufen wird, muss China natürlich gemäß seiner eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse selbst entscheiden. Wir möchten, dass dies Entscheidungen sind, die in Chinas eigenem Interesse liegen. Denn wir in Europa wollen keine Hilfsleistungen von China, sondern wir hoffen, dass China in Europa investiert – und das aus eigenem Interesse heraus und zu seinem eigenen Vorteil.

Sie gehen also fest davon aus, dass China sich an den europäischen Stabilitätsmechanismen beteiligen wird?

Der chinesische Premierminister hat zum ersten Mal gesagt, dass China neben der Beteiligung an den internationalen Instrumenten des IWF auch prüfe, ob man sich an den europäischen Stabilitätsinstrumenten EFSF und ESM beteiligt, und das ist in dieser Deutlichkeit so zum ersten Mal gesagt worden. Ob und wann daraus eine konkrete Handlung resultiert und in welchem Umfang, dass ist natürlich eine souveräne Entscheidung der chinesischen Regierung.

Hat die deutsche Seite denn keine weiteren Vorschläge geäußert, wie man die Krise konkret überwinden könnte?

Doch, wir haben sehr konkret gesagt was wir selber tun, um die Probleme zu lösen. Wir haben gesagt, was wir als Deutsche – auch zusammen mit den Franzosen und unseren anderen Partnern in Europa – vorgeschlagen haben, um die Krise zu überwinden. Da ist zum einen die Fiskalunion in Verbindung mit einer nationalen Schuldenbremse. Dazu gehört aber auch die stärkere Kontrolle der nationalen Haushalte durch die Europäische Union.
Die Bundeskanzlerin hat dem Ministerpräsidenten erläutert was wir selbst tun, um die Situation sowohl kurzfristig als auch langfristig zu stabilisieren. Der Vorschlag an die chinesische Seite war, dass China sich verstärkt durch Investitionen in die europäische Wirtschaft einbringen könnte. Die Aussage, dass China sich auch an den europäischen Stabilitätsinstrumenten beteiligen möchte, die der chinesiche Ministerpräsident getroffen hat, begrüßen wir sehr.

Die Bundeskanzlerin hat während ihrer dreitägigen Chinareise die wirtschaftlich blühende Provinzhauptstadt Guangzhou besucht, um dort deutsche Unternehmer zu treffen. Herr Hartmann, wie werden die deutschen Unternehmen bei ihren Investitionen in China von der deutschen Seite unterstützt? Welche Vorteile bietet der chinesische Markt und welche Hindernisse müssen deutsche Unternehmer in China überwinden?

Es ist nicht so sehr die Frage, inwiefern die deutsche Regierung dies unterstützt, sondern Sie müssen einfach mal sehen, welche langjährigen Erfahrungen deutsche Unternehmen bereits in China gewonnen haben. Wir haben ja Tausende, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die seit vielen Jahren in China erfolgreich auf dem Markt tätig sind. Es sind nicht nur große Unternehmen wie VW, Audi, BASF und Siemens, sondern eben auch Mittelständler, die in ihren Spezialbereichen und mit ihren Produkten hier eine langjährige Erfolgsgeschichte auf den Weg gebracht haben. Am Anfang dieser Erfolgsgeschichten standen in der Regel Joint Ventures. Sogenannte „Wholly Foreign Owned Enterprises“ kamen erst später dazu.

Wichtig ist, dass die Firmen eine gute Vorbereitung, eine langfristige Strategie und eben auch professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Das ist vielleicht auch ein geeigneter Hinweis an die chinesische Seite, weil wir ja bei weitem nicht so viele chinesische Investitionen in Deutschland haben, wie deutsche Investitionen in China. Daher sollte man vielleicht auch von chinesischer Seite aus Beratungsinstrumente für chinesische Unternehmen schaffen, die im Ausland investieren wollen. Auf deutscher Seite gibt es da zum Beispiel die Handelskammern oder die „Germany Trade and Invest“, die deutsche und ausländische Unternehmen in den jeweiligen Partnerländern unterstützen. Vielleicht wird man so etwas ähnliches auch von chinesischer Seite in Erwägung ziehen, um den eigenen Unternehmen, die sich in Europa engagieren, professionelle Hilfe und Beratung anbieten zu können – mehr, als das bisher der Fall war. Denn das ist es, was die Unternehmen im Ausland brauchen: Know-how, eine langfristige Strategie und eben auch professionelle Beratung.
Die Probleme deutscher Unternehmen in China, die ich ansprechen möchte, sind die Gleichbehandlung der deutschen und inländischen Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen, die Frage des Schutzes von geistigem Eigentum und – das ist ganz wichtig und wurde auch von Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Besuch angesprochen – der Technologietransfer, der auf rein freiwilliger Basis stattfinden sollte. Es ist klar, dass es bei Joint Ventures immer auch einen Technologietransfer gibt. Aber der Transfer muss die Bereitschaft des Unternehmens beinhalten, diesen Transfer zu leisten. Es geht darum, die Grenze zu akzeptieren, bis zu welcher ein Investor bereit ist, seine Technologie zu übertragen – denn diese Übertragung muss und kann nur auf freiwilliger Basis erfolgen.

Wie ist diesbezüglich denn das aktuelle Stimmungsbild bei den deutschen Unternehmen? Hat man das Gefühl, das man bei dem Technologietransfer über den Tisch gezogen wird, oder fühlen sich die deutschen Unternehmen sicher in China?

Das aktuelle Stimmungsbild bei den deutschen Unternehmen ist sehr gut. Das hat auch das Treffen der Bundeskanzlerin mit deutschen Unternehmern in Guangzhou gezeigt. Es ist den Unternehmen klar, dass sie, wenn sie hier auf dem chinesischen Markt langfristig erfolgreich sein wollen, zum Technologietransfer bereit sein müssen. Wichtig für die deutschen Unternehmen ist, und das hat auch die Kanzlerin angesprochen, dass sie immer noch einen gewissen technischen Vorsprung vor ihren chinesischen Konkurrenten aufrecht erhalten können. Das stellt natürlich auch die Forschung und Entwicklung vor die Aufgabe, selbst die Nase vorn haben zu müssen. Denn Technologietransfer hin oder her – man muss natürlich schauen, dass man den langfristigen Erfolg durch eigene Erfindungen und Weiterentwicklungen absichert.
In diesem Punkt hat auch die Bundeskanzlerin den chinesischen Ministerpräsidenten um Verständnis gebeten: Es gibt immer Bereiche in der technologischen Entwicklung, die die Unternehmen für sich behalten wollen und für ihre eigene Weiterentwicklung benötigen. Technologietransfer ja, aber in Maßen.

Sie haben vorhin schon angesprochen, dass die Bundeskanzlerin bei ihrem Chinabesuch den Wunsch geäußert hat, dass chinesische Unternehmen verstärkt in Deutschland investieren. Wie haben sich die chinesischen Unternehmen in Deutschland in letzter Zeit entwickelt?

Wenn Sie mal die Zahlen miteinander vergleichen, dann sehen Sie sehr schnell, wo wir derzeit stehen: Wir haben insgesamt ungefähr 21 Milliarden Euro Investitionen, die deutsche Firmen in China geleistet haben und auf der anderen Seite etwa 600 Millionen chinesische Investitionen in Deutschland. Über 5.500 deutsche Unternehmen sind in China tätig und circa 800 überwiegend kleinere chinesische Unternehmen in Deutschland. Es gab in letzter Zeit natürlich einige herausstechende, größere und positive Investitionen – dazu gehört zum Beispiel der Kauf des deutschen Betonpumpenherstellers Putzmeister durch das chinesische Unternehmen Sany. Das ist eine Investition im Bereich von mehreren hundert Millionen Euro, die auch in Deutschland Arbeitsplätze schafft, was von uns natürlich sehr begrüßt wird.

Die Bundeskanzlerin hat deswegen zu mehr Investitionsbereitschaft in Deutschland und auf dem europäischen Markt aufgefordert und ganz eindeutig klar gemacht, dass chinesische Investitionen in Deutschland willkommen sind und in keinerlei Weise be- oder eingeschränkt werden, sondern dass für alle die gleichen Regeln gelten – für Einheimische wie für Ausländer. Investitionen in Europa haben den Vorteil, dass man seine internationalen Aktivitäten diversifiziert und global wettbewerbsfähiger wird. Darüber hinaus können chinesische Firmen durch die Zusammenarbeit mit deutschen Firmen einen technologischen Vorteil gewinnen und sich als globale Wirtschaftsakteure besser aufstellen.

Wenn man die deutsche Medienlandschaft betrachtet, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Investitionen chinesischer Unternehmen keineswegs nur positiv betrachtet werden – es gibt häufig Berichte, in denen davor gewarnt wird, dass chinesische Unternehmen in Deutschland auf „billige Einkaufstour“ gehen und gute deutsche Unternehmen, die aufgrund der Krise in Finanznot geraten sind, aufkaufen könnten. Teilen Sie diese Ängste?

Es gibt sehr positive Beispiele für Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland – ich habe das ja gerade schon angesprochen. Es mag sein, dass es bei manchen auch die von Ihnen angesprochenen Befürchtungen gibt. Aber Deutschland ist ein weltoffener Markt, und unser Außenhandel lebt davon, dass wir als Deutsche global tätig sind, mit dem Ausland Handel treiben und in anderen Ländern investieren. Und er lebt auch davon, dass wir in Deutschland internationale Investitionen haben, dass wir Investoren anziehen. Und da ist China als Investor natürlich keine Ausnahme. Die größten Investoren in Deutschland sind natürlich bisher andere, unsere direkten europäischen Nachbarn beispielsweise, aber auch Länder wie die USA oder Japan. Deshalb ist es nur natürlich, dass auch chinesische Unternehmen in Deutschland investieren. Und ich glaube auch, dass man sich in Deutschland schon längst daran gewöhnt hat, dass man im Unternehmen auch internationale Chefs und Vorgesetzte haben kann und dass global aktive Konzerne Niederlassungen in Deutschland gründen. Das ist eine natürliche Entwicklung in der Globalisierung und wir begrüßen das ganz ausdrücklich – denn auch unsere wirtschaftliche Situation hängt davon ab, wie viel in Deutschland und Europa investiert wird. Wichtig ist, dass die deutsche Regierung chinesische Investitionen sehr begrüßt – die deutsche Wirtschaft übrigens auch.

Welche Vorteile hat es denn für deutsche Unternehmen, hier in China zu investieren? Geht es um Ressourcen und billige Arbeitskräfte?

Zunächst einmal sind da natürlich die Absatzmöglichkeiten und der gigantische Markt. Wenn wir die Automobilbranche als Beispiel nehmen, dann werden wir bei einem der größten deutschen Autobauer möglicherweise bald die Situation haben, dass in China mehr Fahrzeuge hergestellt werden als in Europa. Diese Autos werden nur für den chinesischen Markt hergestellt, nicht für andere Länder oder für den internationalen Markt. Also der chinesische Markt, der wachsende Konsum und die steigende Kaufkraft der chinesischen Verbraucher – das sind die Gründe, die es attraktiv machen, in China zu investieren. Die im Vergleich zu Europa billigere Produktion war bei früheren Investitionen vielleicht wichtig, inzwischen aber nicht mehr. China ist ein großer Markt, der gute Absatzmöglichkeiten bietet. Um hier erfolgreich zu sein, braucht man aber eine langfristige Strategie und muss vor Ort Erfahrungen sammeln. Das alles geht nur, wenn man in China produziert.

Nach diesen eher wirtschaftlichen Themen kommen wir nun zu den neuesten Entwicklungen im kulturellen Austausch zwischen Deutschland und China. Am 30. Januar hat das chinesische Kulturjahr in Deutschland begonnen. Im Rahmen des Kulturjahres sollen unter dem Motto „Chinah“ mehr als 500 Veranstaltungen in wichtigen deutschen Städten abgehalten werden. Doch anders als bei „Deutschland und China gemeinsam in Bewegung“ findet das Projekt von Anfang an wenig Anerkennung in Deutschland. Mehrere deutsche Medien äußerten in ihren Artikeln den Verdacht, dass China bei diesen Veranstaltungen nur Propaganda machen will. Wie betrachten Sie das chinesische Kulturjahr und was glauben Sie, warum dieser Verdacht entstanden ist?

Wir begrüßen, dass sich China mit dem Kulturjahr zum ersten Mal in dieser Bandbreite und mit so vielen Veranstaltungen präsentiert. Wir hatten in Deutschland ein solches chinesisches Kulturjahr bisher noch nicht. Wir finden es insbesondere auch positiv, dass in diesem Kulturprogramm auch einige Dialogveranstaltungen mit aufgenommen worden sind, die sich dem gesellschaftlichen Dialog widmen, und zwar auch zu Themen, bei denen wir vielleicht unterschiedlicher Auffassung sind. Denn wenn die Meinungen auch unterschiedlich sind: die Dialogbereitschaft ist das wichtigste. Dazu braucht man Offenheit, Toleranz und den Respekt vor anderen Meinungen. Wenn man diese Offenheit mitbringt und auch mit Kritik umgehen kann, dann können beide Seiten davon nur profitieren. Diesen Weg versucht man mit dem chinesischen Kulturjahr einzuschlagen und darüber freuen wir uns.

Vor kurzem wurde in Deutschland ein Buch mit dem Titel „Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über China“ herausgegeben, welches sich mit den typischen Vorurteilen der Deutschen gegenüber China, wie zum Beispiel, dass alle Chinesen Hundfleisch essen oder dass jede chinesische Familie nur ein Kind haben darf, befasst. Woher kommen solche Irrtümer und wie können sie abgebaut werden?

Also wenn Sie Bücher über China ansprechen, dann kann man vielleicht sagen, dass wahrscheinlich in keinem anderen europäischen Land derzeit so viele Bücher über China publiziert werden, wie in Deutschland. Es geht dabei häufig um die Frage, ob man vor China Angst haben muss, ob man es als Bedrohung, Herausforderung oder als Chance betrachten soll. Das ist eine recht intensive Diskussion. China war auch Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Wenn ich es richtig sehe, dann setzt sich das von Ihnen erwähnte Buch mit Klischees und Vorurteilen über China auseinander, und dies mit einer gesunden Prise Humor.
Wichtig ist, dass man Vorurteile nur durch vertiefte Kenntnisse und Dialogbereitschaft überwinden kann. Reisen, Fortbildungen und vor allem der Kulturaustausch können dabei helfen, auf beiden Seiten eventuelle Vorurteile abzubauen. Wir haben derzeit die beeindruckende Zahl von fast 30.000 chinesischen Studenten in Deutschland, und mehrere Tausend deutsche Studenten haben an Austausch- oder Stipendienprogrammen hier in China teilgenommen. Das gegenseitige Interesse ist groß. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Zum kulturellen Austausch sowie zum gegenseitigen Verständnis tragen die Medien beider Seiten enorm bei. Aber auch für einige Missverständnise sind sie verantwortlich. Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über China und wie bewerten Sie den Entwicklungszustand der chinesischen Medien?

Wir haben in Deutschland eine sehr intensive Berichterstattung über China. Für unsere chinesischen Freunde ist es wichtig zu wissen, dass die deutsche Öffentlichkeit ein großes Interesse an und große Sympathien für China hat. China ist den Deutschen nicht gleichgültig, die deutsche Öffentlichkeit setzt sich intensiv mit China auseinander. Das Chinabild wird in Deutschland natürlich stark über die Medien geprägt. Dabei ist wichtig, dass wir eine Pluralität in der Berichterstattung haben. Wir haben ein Interesse an einer möglichst breiten Berichterstattung, um so auch verschiedene, fundierte Meinungen zu dem Thema zu ermöglichen. Es gibt derzeit circa 30 deutsche Korrespondenten, die in China aktiv sind.
Man muss aus chinesischer Perspektive aber auch verstehen, dass wir eine etwas andere Tradition der Berichterstattung haben. Man kann vielleicht sagen, dass wir in Deutschland eine Streitkultur haben und keine Konsenskultur. Die Medien sehen ihre Aufgabe darin, die Politik zu hinterfragen und an politischen Maßnahmen und gesellschaftlichen Missständen Kritik zu üben. Was ja auch gerade in der deutschen Innenpolitik ziemlich heftig sein kann. Da muss man einfach gelassen bleiben und versuchen, mit dieser Kritik konstruktiv umzugehen.

Aber wenn wir jetzt wirklich mal ganz objektiv die Berichterstattung in Deutschland betrachten, dann stellen wir doch fest, dass die negative Berichterstattung über China eindeutig überwiegt. Können Sie sich nicht vorstellen, dass das auf der chinesischen Seite zu Unbehagen führt?

Dann schauen sie sich doch zum Beispiel mal an, was derzeit in der Berichterstattung der anderen europäischen Länder so über Deutschland verbreitet wird. Im Zusammenhang mit der Eurokrise zum Beispiel. Dagegen ist manch kritischer Bericht über China doch ziemlich harmlos. Die Medien in Europa sehen eben ihre Aufgabe vor allem darin, auf die Probleme hinzuweisen – und nicht primär darin, positive Entwicklungen in den Vordergrund zu stellen. Das ist eben eine andere journalistische Tradition.
Es gibt aber auch eine ausführliche Hintergrundberichterstattung über China in Deutschland. Es stimmt jedenfalls nicht, dass die deutsche Presse nur negativ über China berichten würde. Man darf in der Gesamtschau einzelne kritische Artikel nicht überbewerten.
In China ist die Funktion der Medien eine etwas andere. Hier haben die Medien nämlich vor allem auch den Auftrag, die staatliche Politik zu erläutern. Was ich sehr interessant finde an der chinesischen Medienlandschaft, ist, dass es hier neben den Printmedien und den Nachrichtensendern eine sehr intensive Internetdiskussion gibt – viel intensiver, als in Deutschland. Das ist ein neuer Trend in China, der vielleicht etwas weggeht von den traditionellen Medien hin zu den informellen Quellen im Internet. Das hat Vor- und Nachteile, aber diese Entwicklung hat mich sehr beeindruckt. Das haben wir in Europa nicht in der gleichen Intensität.

Das bietet natürlich für die deutsche Öffentlichkeit auch die Chance, wirklich einmal zu sehen, wie und was hier alles in der chinesischen Öffentlichkeit diskutiert wird und was für Meinungen es zu den verschiedensten Themen gibt. Projekte wie zum Beispiel „Stimmen aus China“ können dazu beitragen, die chinesische Diskussionskultur in Deutschland bekannt zu machen, was vielleicht sogar viel interessanter ist als zum Beispiel die offizielle Berichterstattung.

Ja, diese Pluralität im Internet, die in China besteht, kann über solche Projekte dem deutschen Publikum bekannt gemacht werden. Bei „Stimmen aus China“ wird dem deutschen Leser eine Übersicht über die chinesischen Blogdiskussionen geboten. Dadurch wird ihm bewusst, dass es in China durchaus eine pluralistische öffentliche Debatte über wichtige und aktuelle Themen gibt, die natürlich auch zur Stärkung der Zivilgesellschaft beiträgt. Das sind Medien, an denen sich der einzelne Bürger direkt beteiligen kann. Dieser chinesische Trend ist in Europa noch nicht so bekannt. Das sollte vielleicht noch mehr Aufmerksamkeit erfahren.

Kann diese Internetdiskussion nicht auch zur Verbreitung von falschen Gerüchten beitragen, die am Ende großen Schaden anrichten können? Sollte man dies nicht auch regulieren?

Der Wert des Internets ist es doch gerade, dass man eine freie Diskussion hat. Man sollte daher so viel freie Diskussion zulassen, wie möglich erscheint und so wenig Kontrolle von Gerüchten, Falschaussagen und Verhinderung von negativen Entwicklungen wie nötig vornehmen. Will man Gerüchte und sonstige negative Entwicklungen korrigieren, sollte man so behutsam wie möglich agieren. Man sollte die Diskussion nicht stören und die Freiheit nicht einschränken.

Seit einigen Jahren pflegen die deutschen und die chinesischen Medien einen regelmäßigen Austausch. Dazu gehören zum Beispiel das jährliche Medienforum und das Projekt „Medienbotschafter“. Könnten Sie bitte die Projekte kurz vorstellen? Welche Erfolge sind damit bisher erzielt worden?

Es gibt eine ganze Reihe wichtiger Projekte in diesem Bereich. Eines der wichtigsten wird von der Robert-Bosch-Stiftung organisiert. Es ist ein Dialog, an dem vor allem Chefredakteure teilnehmen, die sich über unterschiedliche Arbeits- und Herangehensweisen austauschen sowie über gegenseitige Vorurteile und Klischees, auch um künftige Missverständnisse und Fehler in der gegenseitigen Wahrnehmung zu vermeiden. Der Dialog wird sehr offen geführt und war bisher sehr erfolgreich. Das letzte Mal fand er in Deutschland statt. Die Teilnehmer sind auch zum Gespräch mit Helmut Schmidt zusammengekommen. Später wurden die chinesischen Teilnehmer auch von Bundespräsident Wulff empfangen.
Dann gibt es auch einen sehr erfolgreichen Mediendialog, den die Bundesregierung durch das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) fördert. Da laden wir deutsche und chinesische Redakteure und Journalisten ein, die sich dann zu bestimmten Themen austauschen. Das letzte Mal haben sie sich in Stuttgart getroffen, zum Thema Kommunalpolitik. Dabei ging es natürlich vor allem um Stuttgart 21 und die Reaktionen der Bevölkerung zu dem Thema. Das kontrovers diskutierte Problem und die Berichterstattung darüber wurde von den deutschen und chinesischen Journalisten analysiert und diskutiert – wie man damit umgeht und wie man darüber berichtet.
Ein gutes Programm, auf das ich noch hinweisen will, sind die Medienbotschafter der Robert-Bosch-Stiftung. Das ist ein Austauschprogramm, an dem jüngere Journalisten teilnehmen, die dann für drei Monate ins jeweils andere Land gehen, um dort zu sehen, wie die andere Seite journalistisch arbeitet – und darüber dann auch zu berichten.

Sie haben gerade Stuttgart 21 angesprochen – wie haben den die chinesischen Journalisten reagiert, als sie von der heftigen Diskussion und den Protesten wegen des Umbaus des Stuttgarter Hauptbahnhofs erfahren haben?

Ich war nicht dabei, aber was ich von einigen Teilnehmern gehört habe war zum Beispiel, dass manche chinesische Teilnehmer erstaunt waren, wie langwierig dieser ganze Prozess in Deutschland war, wie lange das alles gedauert hat und welche Schwierigkeiten es gab bei der Umsetzung eines solchen Projektes. In China gibt es um ein Vielfaches größere Infrastrukturprojekte, die in der Regel keine derartigen offenen Proteste seitens der Bevölkerung nach sich ziehen. Ich glaube, das war für beide Seiten eine erfrischende und neue Erfahrung: zu sehen, wie unterschiedlich doch solche Projekte – die in Deutschland teilweise sehr kritisch, in China aber eher als Projekte der gesamtnationalen Entwicklung und damit überwiegend positiv – in der Bevölkerung aufgenommen werden.

Von den Medien nun zur Kunst – Die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ wurde im vergangenen April in Beijing eröffnet. Inzwischen sind eine Reihe von Foren und Dialogen veranstaltet worden, die die Aufmerksamkeit des chinesischen Publikums auf sich gezogen haben. Wurden die Ziele der Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung Ihrer Meinung nach bereits erreicht?

Aus unserer Sicht war die Veranstaltung ein herausragender Erfolg. Wir hatten mehr als 350.000 chinesische Besucher – wobei vielleicht noch wichtiger ist, dass die Ausstellung nur ein Ausgangspunkt war für viele weitere Veranstaltungen – sie war also ein Katalysator für den Dialog zwischen China und Deutschland. Vor diesem Hintergrund wurde die Aufklärung und der Wert, den selbige vielleicht auch für China haben kann, diskutiert.
Die Ausstellung endet im März. Den begonnen Dialog würden wir aber gerne auch darüber hinaus noch fortführen.

2012 feiern die Bundesrepublik und die Volksrepublik das 40-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Könnten Sie uns bitte zum Schluss noch sagen, welche Veranstaltungen auf der Staatsebene in diesem Jahr geplant sind?

Wir haben, neben dem Kulturjahr Chinas in Deutschland, auch eine ganze Reihe von anderen Aktivitäten. Im März wird die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Frau Cornelia Pieper, mit einem Festakt die Ausstellung „Kunst der Auflärung“ feierlich abschließen. Im April reist Ministerpräsident Wen Jiabao nach Deutschland und wird dort gemeinsam mit der Bundeskanzlerin die Hannovermesse besuchen, auf der China Gastland ist. Im Mai wird der Dialog „Zukunftsbrücke“ zum ersten Mal durchgeführt. Das ist ein aus unserer Sicht sehr wichtiges Projekt, bei dem ein ständiger Dialog zwischen Nachwuchsführungskräften aus Deutschland und China aufgebaut werden soll. Das Projekt wird von der Stiftung Mercator in Beijing und in Chongqing durchgeführt werden. Das eigentliche Jubiläum ist dann am 11. Oktober. Da planen wir ein großes Bürgerfest zur Feier der 40-jährigen diplomatischen Beziehungen, gekoppelt mit einem Festakt, möglicherweise im chinesischen Nationaltheater, zu dem wahrscheinlich der deutsche Außenminister nach Beijing kommen wird. Ebenfalls wichtig ist für uns aus politischer Sicht, dass Deutschland in diesem Jubiläumsjahr das fünfte deutsche Generalkonsulat in Shenyang eröffnen wird. Dies sind die wichtigsten Veranstaltungen und Ereignisse, die in diesem Jahr geplant sind. Daneben gibt es zahlreiche hochkarätige deutsche Orchester, die im Laufe dieses Jahres zu Konzerten nach China kommen, zum Beispiel das Bayerische Rundfunksinfonieorchester und die Sinfonieorchester von Leipzig, Dresden, Nürnberg und Frankfurt. Ferner wird das Staatsballett aus Hamburg, Stuttgart und aus Berlin in diesem Jahr in verschiedenen Städten Chinas gastieren und die Theater von Hamburg und München beabsichtigen, ihre Zusammenarbeit mit ihren Partnern hier in China fortzusetzen.

Herr Hartmann, wir danken Ihnen für dieses Interview.
(german.china.org / Von Marc-Stephan Arnold und Ren Bin, Beijing)

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