18.03.2012 – Deutsche Industrie entdeckt Kanada
Deutschland will mit Kanadas Rohstoffindustrie zusammenarbeiten, um längerfristig Mineralien zu sichern. Auch Kanada selbst sieht darin Vorteile: Partner bei der teuren Erschließung von Rohstoffen sind unabdingbar.
Die deutsche Industrie sucht die Zusammenarbeit mit Kanada im Rohstoffsektor. Das Land wird als potenzieller strategischer Partner bei der langfristigen Sicherung des Zugangs zu den als kritisch eingestuften Mineralien und Metallen gesehen. Umgekehrt sind kanadische Unternehmen daran interessiert, Partner bei der teuren und riskanten Erschließung neuer Rohstofflager zu finden.
Vertreter der staatlichen Deutschen Rohstoffagentur (DERA), der Wirtschaft und des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie machten das Interesse nun auf dem Kongress der Prospectors and Developers Association of Canada (PDAC) in Toronto deutlich. Der Kongress gilt als weltweit größte Messe für Rohstoffexploration.
„Kanada ist einer der wichtigsten Rohstoffanbieter. Aufgrund seiner Größe und Geologie hat Kanada ein gewaltiges Potenzial für Jahrzehnte“, sagte Volker Steinbach von der DERA. Deutschland dagegen sei von Importen abhängig, und die Nachfrage werde steigen.
Die EU-Kommission hat 14 Rohstoffe als „versorgungskritisch“ eingestuft. Diese haben eine besondere Bedeutung für die Industrie, sind in der EU aber kaum verfügbar und können derzeit nicht durch andere Stoffe ersetzt werden. Die DERA hat für eine Studie mit der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer acht Stoffe ausgewählt, die beispielsweise für den Bau von Solaranlagen, für Batterien in Hybrid- und Elektroautos und Brennstoffzellen sowie in Speziallegierungen in der Medizin und Mobiltelefonen benötigt werden. Zu den in Kanada reichlich vorhandenen Metallen gehören etwa Germanium, Seltene Erden, Tantal, Wolfram und die Industrieminerale Flussspat und Graphit.
„Wir brauchen Rohstoffe für neue Technologien, sehen zugleich aber eine hohe Preisvolatilität, eine starke Konzentration der Bezugsquellen und die Gefahr von Eingriffen in den Handel“, sagte Steinbach. China, das fast ein Monopol bei Seltenen Erden hat, drossele den Export. Zudem kaufe sich China in Minenprojekte ein, um sich weitere Quellen zu sichern.
Das fördert das Interesse der Bundesregierung an einer Beteiligung der Wirtschaft an Bergbauprojekten im Ausland. „Zuverlässige Bezugsquellen zu angemessenen Kosten stehen oben in der Agenda“, sagte Aarti Mona Soerensen von der Handelskammer in Toronto.
Sie sieht in Kanada und Deutschland „vielversprechende Partner“. Einige der begehrten Mineralien werden gefördert, bei anderen – etwa einer Graphitmine in Ontario – ist der Beginn der Förderung in naher Zukunft möglich. Bei vielen Lagerstätten hat die Exploration erst begonnen. So ist das Potenzial des Ring of Fire in Nord-Ontario noch nicht abzuschätzen. In Quebec werden Bergbau und Exploration durch den Plan Nord gefördert. Depots gibt es in der Arktis und quer durch das ganze Land. Da viele Lagerstätten weit abseits liegen, ist die Schaffung der Infrastruktur eine Herausforderung.
Dierk Paskert, Geschäftsführer der neu gegründeten Deutschen Rohstoffallianz, zu der Konzerne wie BASF, BMW, Evonik, Bosch und ThyssenKrupp gehören, sieht wachsendes Interesse der deutschen Industrie an der „Rück-Integration“ in den Rohstoffsektor: „Wir hatten uns darauf verlassen, dass der Markt die Mineralien zur Verfügung stellt. Doch die ununterbrochene Rohstoffversorgung ist nicht mehr gottgegeben.“ Über die Rohstoffallianz und die Bildung von Konsortien könnte die Beteiligung an Projekten möglich werden.
Bei den Kanadiern stößt die Initiative auf Interesse. Er sehe eine wichtige Rolle für die deutsche Industrie, mit Know-how und finanzieller Beteiligung die Erschließung von Rohstoffen zu fördern, sagte PDAC-Präsident Scott Jobin-Bevans.
Quelle: Handelsblatt von Gerd Braune