Begehrte Metalle
Im Industriepark Wolfgang in Hanau erforscht eine neue Fraunhofer-Projektgruppe, wie Wertstoffe wie die Seltenen Erden ersetzt oder besser recycelt werden können.
Bakterien können das Wertvollste aus alten Handys herausholen. Mikrobiologe Stefan Ratering behandelt – bereits zerlegte – ausgediente Mobiltelefone mit Mikroorganismen, um die Seltenen Erden aus ihnen zu lösen. Wertstoffspezialistin Claudia Güth versucht, eine möglichst große Menge des kostbaren Guts aus Leuchtstoffröhren und Lampenbirnen zu bergen, deren beschichtete Flächen aus diesen begehrten Metallen bestehen. Beim feinen Zerkleinern des Ausgangsmaterials verwenden die Forscher verschiedene Hilfsmittel: kleine Kügelchen etwa, die große Mahlarbeit zu leisten vermögen.
Roland Gauß wiederum beschäftigt sich vor allem mit „Hochleistungspermanentmagneten“, wie sie unter anderem in Festplatten, Automobilen und für Windkraftanlagen verwendet werden. Der Naturwissenschaftler und Archäologe arbeitet daran, wie sich diese Magnete aufbereiten und wiederverwerten oder sich die Materialien so optimieren lassen, dass man mit einer geringen Menge an Seltenen Erden auskommt.
Die drei Wissenschaftler arbeiten für die neue „Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie“ in Hanau, die im vergangenen Herbst ihre Arbeit aufgenommen hat. Derzeit sind die Forscher dabei, sich ihre Labore im Industriepark Hanau-Wolfgang einzurichten. Sie nutzen dafür Räume im vierten Stock der Firma „Umicore“, eines international tätigen Konzerns für Materialtechnologie, der naturgemäß großes Interesse an Fortschritten beim Recyceln und Ersetzen von Wertstoffen hat.
Neubau geplant
Das Domizil bei „Umicore“ ist allerdings nur eine Zwischenlösung, später sollen die Wissenschaftler in einem Neubau arbeiten, für den die Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit der Stadt Hanau derzeit eine geeignete Fläche sucht. Wirtschaftsdezernent Ralf-Rainer Piesold (FDP) spricht von „einer der wichtigsten Ansiedlungen der letzten Jahre“, die auch den in Hanau ansässigen Hightech-Unternehmen zugutekomme.
Hanau ist indes nicht der einzige Sitz dieser Projektgruppe: Parallel hat sich Fraunhofer auch im bayerischen Alzenau angesiedelt. Die Wissenschaftler beider Standorte sollen künftig eng zusammenarbeiten; zudem gibt es eine intensive Kooperation mit den Universitäten in Darmstadt, Gießen, Würzburg und Augsburg.
Derzeit beschäftigt die Fraunhofer-Gesellschaft in Hanau sechs Wissenschaftler, in Alzenau sind es 14. Insgesamt solle das Team an diesen zwei Standorten einmal 50 bis 60 Mitarbeiter umfassen, sagt Stefan Ratering. In den Aufbau der beiden Einrichtungen investieren das Land Hessen und der Freistaat Bayern zusammen knapp 50 Millionen Euro in den kommenden Jahren.
Schwerpunkte der Forschung sind die Suche nach Methoden, insbesondere die Seltenen Erden, aber auch kritische Metalle, rückzugewinnen sowie Ersatzstoffe und Wirkweisen zu finden, die den gleichen Effekt entfalten. Keine leichte Aufgabe, allein schon deshalb, weil Seltene Erden in den fertigen Produkten meist mit anderen Stoffen vermischt sind und aufwendig chemisch getrennt werden müssen.
Außerdem sollen die Mitarbeiter Politik und Industrie beraten, so soll unter anderem erreicht werden, dass Geräte, die diese Stoffe enthalten, nicht einfach im Abfall landen. Kritische Metalle tragen diesen Namen, „weil man befürchtet, sie könnten irgendwann nicht mehr so leicht verfügbar sein, etwa, weil die Vorräte zur Neige gehen“, erläutert Stefan Ratering; Gold gehört zu dieser Gruppe.
Anders verhält es sich mit den Seltenen Erden, denen das Hauptaugenmerk der Fraunhofer-Wissenschaftler gilt. Zur Rohstoffgruppe dieser „Seltenerdmetalle“ zählen 17 chemische Elemente, deren Namen wie Lanthan, Holmium, Europium oder Neodym Laien zumeist nichts sagen, die aber unverzichtbarer Bestandteil der modernen Technologie sind: Sie stecken in Handys, Fernsehern, Hybrid- und Elektromotoren, in Zündkerzen, den Festplatten von Computern, in Kopfhörern und Lautsprechern, in Energiesparlampen und LED-Scheinwerfern, in Batterien und Akkus, den starken Magneten von Windkraftanlagen, in Tomographen der Nuklearmedizin, in Regelstäben von Kernreaktoren, in Poliermitteln und Zahnfüllungen aus Kunststoff.
Und der Bedarf an Seltenen Erden wachse ständig, sagt Roland Gauß. Schätzungen zufolge soll er in den kommenden Jahren weltweit von derzeit 135.000 auf fast 200.000 Tonnen pro Jahr steigen.
Anders als ihr Name es nahelegt, sind die Seltenen Erden nicht wirklich selten, ihre Vorräte könnten noch lange reichen. Die Schwierigkeiten bei diesen Metallen sind anders geartet: Der Abbau ist oft mit menschenunwürdigen Bedingungen verbunden: „Es ist ein schmutziger Bergbau“, sagt Stefan Ratering, „die Arbeiter kommen in Kontakt mit vielen Säuren und Laugen.“ Außerdem, ergänzt Roland Gauß, seien Seltene Erden oft mit radioaktiven Stoffen „vergesellschaftet“ – das heißt: Sie kommen gemeinsam vor – und belasten durch ihren Abbau die Umwelt einer gesamter Region.
Energiewende steigert Bedarf
Ein Hintergrund, der auch bei der Energiewende nicht außen vor bleiben sollte, findet Roland Gauß, der Mann mit den Magneten als Spezialgebiet. Kiloweise werden diese für die Motoren in den neuen Windparks benötigt, die Metalle der Seltenen Erden sind ein wesentlicher Bestandteil darin: „Da sollte man auch die Geschichte vor der Produktion, den Stoffkreislauf, kennen“, sagt Gauß, dem auch bei der grünen Energie der „ganzheitliche Blick“ wichtig ist. „Die Windkraft ist ein Hauptgrund für den extrem gestiegenen Bedarf an Dauermagneten“, sagt er.
Wirtschaftlich problematisch ist dabei die Tatsache, dass China bei den Seltenen Erden mit mehr als 97 Prozent der weltweiten Fördermenge eine Monopolstellung innehat – damit die Preise diktiert und diese wegen der stetig wachsenden Nachfrage enorm in die Höhe getrieben hat, zum Teil um bis zu 4000 Prozent, wie Professor Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung und Initiator der neuen Projektgruppe, sagt.
Die Forschungsergebnisse aus Hanau und Alzenau sollen helfen, sich von dieser Preispolitik Chinas unabhängiger zu machen, indem neue Wege gefunden werden, die seltenen Metalle wiederzuverwerten oder zu ersetzen. Ihre Forschungsobjekte – Handys, alte Computerteile, Magnete, Elektrogeräte aller Art – bekommen die Wissenschaftler dabei von Unternehmen, von Schrotthändlern oder auch von einer Drogeriekette, bei der die Bürger alte Leuchten abgeben können.
Das „gezielte Sammeln“ von ausrangierten Objekten mit den kostbaren Rohstoffen werde angesichts der komplexen Problematik der Seltenen Erden immer wichtiger, sagt Roland Gauß. Das erfordert auch ein erhebliches Umdenken in der Gesellschaft: Bislang werfen die meisten Handybesitzer ihre ausrangierten Modelle achtlos weg; nicht einmal fünf Prozent kommen in Deutschland bei den Recyclingbetrieben an.
Schrottplätze erschließen
Und so verwundert es nicht, dass nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bislang nur ein Prozent aller verwendeten Seltenen Erden in Deutschland recycelt werden. Diesen Zustand wollen die Fraunhofer-Wissenschafter auch mit Hilfe ihrer Forschung ändern. In Europa werden zwar keine Seltenen Erden gefördert. Aber: „Es geht darum, ihre urbanen Lagerstätten zu erschließen“, sagt Gauß. Was er damit meint? Der Wissenschaftler lacht: „Unsere Schrottplätze zum Beispiel. Was dort herumliegt, müssen wir wie Rohstoffe verstehen.“