Kostbarer Abfall
02.05.2012 – Abfall ist zu kostbar, um ihm einfach wegzuwerfen. Das haben auch sechs EU-Staaten erkannt und verzeichnen mittlerweile Abfallrecyclingraten von bis zu 70 Prozent. Die Recycling-Spitzenreiter weisen damit auch den restlichen EU-Ländern den Weg in Richtung Ressourceneffizienz, und das ist auch bitter nötig. Denn in neun Mitgliedsstaaten der EU werden noch immer mehr als 75 Prozent der Siedlungsabfälle deponiert. Wie gelingt es den Recycling-Spitzenreitern, so effizient mit ihrem Abfall umzugehen? Der Schlüssel liegt in der Kombination verschiedener Wirtschaftsinstrumente.
Signifikante Unterschiede innerhalb der EU
Nach einem am 27. März veröffentlichten Bericht der EU-Statistikbehörde Eurostat lagern die sechs fortschrittlichsten Mitgliedstaaten – Belgien, Dänemark, Deutschland, Österreich, Schweden und die Niederlande – weniger als 3 Prozent ihrer Siedlungsabfälle auf Deponien. Doch so löblich sieht es leider nicht in allen EU-Ländern aus. In neun Mitgliedstaaten werden noch immer über 75 Prozent der Abälle auf Mülldeponien gelagert. Der EU-Umweltkommissar Janez Potočnik erklärte hierzu: “Abfall ist zum Wegwerfen zu wertvoll, denn richtig bewirtschaftet kann dieser Wert der Wirtschaft wieder zugute kommen.”. Darüber hinaus akzentuierte Potočnik, dass ein effizienter Umgang mit Müll auch wirtschaftliche Anreize bietet: “Sechs Mitgliedstaaten kombinieren heute Null-Deponierung mit hohen Recyclingraten. Sie nutzen auf diese Weise nicht nur den Wert des Abfalls, sondern haben dadurch auch dynamische Industrien und zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.“
Deutschland
Den jüngsten Zahlen der EU-Statistikbehörde zufolge werden in Deutschland pro Kopf und Jahr 583 Kilogramm Abfall erzeugt. Damit liegt Deutschland zwar über dem europäischen Durchschnitt von 502 Kilogramm, aber noch immer deutlich hinter dem Land mit dem größten Abfallaufkommen – Zypern. Dort werden pro Kopf und Jahr rund 760 Kilogramm kommunaler Müll erzeugt. Auch wenn in Deutschland überdurchschnitltich viel Müll erzeugt wird, geht man hier verantwortungsbewusst mit dem Abfall um. So wird der gesamte kommunale Abfall behandelt. Rund 45 Prozent des Abfalls werden in Deutschland recycelt. Ein durchaus guter Wert, denn im europäischen Durchschnitt sind es lediglich 25 Prozent. Darüber hinaus werden in Deutschland 38 Prozent des Abfalls verbrannt, und auch hier liegt man über dem EU-Schnitt von 22 Prozent. Die restlichen 17 Prozent des Abfalls werden in Deutschland kompostiert. Summa summarum kann sich Deutschland durchaus auf die Schulter klopfen, denn während europaweit noch immer 38 Prozent aller Abfälle auf Deponien gelagert werden, liegt dieser Wert in Deutschland bei null. Die Zahlen von Eurostat zeigen die großen Unterschiede innerhalb der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten auf. So wird der Müll in Bulgarien zu 100 Prozent deponiert, in Rumänien zu 99 Prozent und in Litauen zu 94 Prozent.
Fahrplan zur Ressourceneffizienz
Die drohende Ressourcenknappheit, vor allem in Hinblick auf Rohstoffe, Biodiversität oder Wasser, zwingt Europa zum Umdenken. Im September 2011 hat die EU-Kommission einen Fahrplan für die nachhaltige Umgestaltung der europäischen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 verabschiedet. Der sogenannte Fahrplan zur Ressourceneffizienz zeigt Anreize und mögliche Instrumente auf, um die entsprechende Zielsetzung zu realisieren. So formuliert das Strategiepapier mitunter Ziele wie die vollständige Abwendung von Mülldeponien sowie die Maximierung von Wiederverwertung. Der Fahrplan zeigt außerdem Wege auf, um auch zukünftig Wachstum und Wohlstand zu sichern. Mögliche Instrumente zur Förderung eines sparsamen Umgangs mit Ressourcen sind beispielsweise Rechtsvorschriften oder die Neuausrichtung vo Finanzierungsinstrumenten. EU-Umweltkommissar Janez Potočnik sagte zur neuen Taktik der Kommission: „Grünes Wachstum ist die einzige nachhaltige Zukunft – für Europa und für die Welt. Wirtschaft und Umwelt müssen Hand in Hand gehen – auf lange Sicht haben wir dieselben Interessen“.
Kombination verschiedener Wirtschaftsinstrumente
Den sechs vorbildlichen Mitglieedsstaaten gelingt der nachhaltige Umgang mit der Kombination verschiedener Wirtschaftsinstrumente. In den sechs fortschrittlichen EU-Ländern wurden die Kosten der Deponielagerung und Abfallverbrennung angehoben. Der Eurostat-Bericht zeigt, dass anschließend, die Deponierungs- und Abfallverbrennungsraten gesunken sind. Ein weiteres Instrument ist die verursacherbezogene Abfallgebührenerhebung, das sogenannte „Pay-as-you-throw-Prinzip“. Dieses Prinzip hat sich zur Sensibilisierung der Bürger im Hinblick auf die Abfalltrennung als sehr wirksam erwiesen. Umweltkommissar Janez Potočnik erklärte hierzu: „Dieser Bericht zeigt, dass dies dadurch gelungen ist, dass Vermeidung, Wiederverwendung und Wiederverwertung mit Hilfe ausgewählter Wirtschaftsinstrumente wirtschaftlich interessanter gemacht wurden“. Wenn die EU die Ziele des Fahrplans zur Ressourceneffizienz erreichen will, müssen diese wirtschaftlichen Instrumente in allen Mitgliedsstaaten eingeführt werden. Das bestätigt auch Potočnik. „Heute tragen wir zusammen mit den Mitgliedstaaten und Lokalbehörden eine gemeinsame Verantwortung und müssen sicherstellen, dass diese Instrumente EU-weit wirksam eingesetzt werden. Hierin besteht eines der Hauptziele des Fahrplans für Ressourceneffizienz“. Die Kosteneffizienz variiert zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten und den entsprechenden Abfällen jedoch stark, aufgrund dessen müssen die Regelungen sorgfältig überlegt und überwacht werden.
400 000 neue Arbeitsplätze
Bei der Überprüfung der Abfallbewirtschaftungsziele der EU im Jahr 2014 soll geprüft werden, ob es möglich ist die Anwendung der Instrumente gesetzlich vorzuschreiben. Die EU-Kommission setzt außerdem die sichere Abfallentsorgung als eine Bedingung für die Zahlung bestimmter europäischer Fördermittel voraus. Bis die Instrumente gesetzlich vorgeschrieben werden, rät die Kommission den Mitgliedstaten, die bisherigen Abfallvorschriften wirksamer und konsequenter durchzusetzen. Die Abfallverwertungsindustrie der EU, die rund zwei Millionen Europäer beschäftigt, verbucht jährlich einen Umsatz von 145 Milliarden Euro. Berechnungen zufolge könnten bei einer vollständigen Umsetzung der EU-Abfallpolitik 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, und der Jahresumsatz könnte um weitere 42 Milliarden steigen. Eine nachhaltige und bessere Abfallwirtschaft könnte nicht zuletzt dazu beitragen, dass die Einzelziele der „Strategie Europa 2020“ , die ein intelligentes und integratives Wachstum anstrebt, erreicht werden. (european circle)