Lithiumindustrie: Verbesserungsbedarf bei CO2-Bilanz und Wasserverbrauch
Egal welche Batteriechemie sich in den kommenden Jahren in Elektroautos durchsetzen wird: Lithium wird auch in Zukunft ein unersetzlicher Bestandteil in Antriebsakkumulatoren bleiben. Die Nachfrage nach dem Leichtmetall wird in den kommenden Jahren dramatisch steigen – und damit auch die ökologischen Probleme, die mit dem Abbau einhergehen.
Die Nachfrage nach Elektroautos nimmt trotz Covid-Pandemie und Ukrainekrieg immer größeren Schwung auf. Nicht zuletzt weil die Politik in zahlreichen Ländern der Produktion von Verbrennerautos ein Ablaufdatum gesetzt hat – die EU hat sich auf das Stichjahr 2035 festgelegt.
Weltweit sind 2022 über 17 Millionen Elektroautos (Plug-In-Hybride inklusive) auf den Straßen unterwegs, die Hälfte davon in China. 2021 betrug die Zahl der Neuzulassungen weltweit sieben Millionen Stück. In Deutschland will die Bundesregierung die Zahl elektrisch betriebener Fahrzeuge bis 2030 auf 15 Millionen verdoppeln. Um bis 2050 global Klimaneutralität zu erreichen, müssten laut der Internationalen Energieagentur zwei Milliarden Elektroautos auf den Straßen dieser Welt unterwegs sein.
Lithium-Engpässe vorprogrammiert
Wesentlicher Treiber für die Lithiumnachfrage ist also die Elektromobilität. Laut Schätzungen aus der Lithiumindustrie gehen drei Viertel der Nachfrage nach Lithium auf Batterien für Elektroautos zurück. 2021 betrug die globale Lithiumförderung knapp 100.000 Tonnen an reinem Lithiummetall. Ein plus von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Verbrauch stieg 2021 um ein Drittel auf 93.000 Tonnen noch stärker. Das Analystenhaus Fastmarkets rechnet schon ab kommendem Jahr mit einer leicht höheren Nachfrage als das Angebot hergibt. Dieser Trend soll sich bis 2030 kontinuierlich verschärfen. Ab etwa 2028 rechnen viele Analysten mit ernsthaften Engpässen bei batteriefähigen Lithiumprodukten.
Die Elektrifizierung der Mobilität dem Klimaschutz zuliebe, zieht angesichts der absehbaren Verknappung einen immer aggressiver geführten Wettlauf um den Zugang zum „weißen Gold“ nach sich. Gleichzeitig rückt aber auch die Bedeutung umweltverträglich und sozialverantwortlich geförderter Batteriemetalle in den Vordergrund. Vor allem deutsche Autohersteller haben nicht zuletzt wegen des Lieferkettengesetzes großes Interesse an nachhaltigem Lithium. Denn „saubere“ Autos sind nur so sauber wie ihre Lieferkette. Woher kommt also das Lithium in Elektroautos made in Germany und welchen Fußabdruck hinterläßt der Abbau und die Weiterverarbeitung? Lithium in Elektrofahrzeugen der Mercedes Benz AG und der Volkswagengruppe kommen laut Unternehmensangaben aus Australien und Chile, bei BMW kommt es aus Australien und Argentinien.
Mehr als die Hälfte des weltweit abgebauten „weißen Golds“ stammt aktuell aus Australien, wo im vergangenen Jahr 55.000 Tonnen Lithium abgebaut wurden. Das Lithium wird dort in klassischem Tagebau aus Spodumen, einem lithiumhaltigen Erz, gewonnen. Mit sechs Prozent Gehalt sind die australischen Vorkommen sehr attraktiv. In Westaustralien befindet sich mit Greenbushes auch die weltgrößte Lithiummine, die US-amerikanische, chinesische und australische Eigentümer hat. Der US-Chemieriese Albermarle hält 49 Prozent, der chinesische Lithiumproduzent Tianqi 26,01 Prozent und das australische Bergbauunternehmen IGO 24,99 Prozent. Die australischen Reserven beziffert das US Geological Survey auf 5,7 Millionen Tonnen.
Per Dieselschiff nach China
Weiterverarbeitet wird das Lithiumerz bisher allerdings nicht in Australien. Es wird mit dieselbetriebenen Schiffen nach China gebracht. Um das Lithium batterietauglich zu machen, wird das Erz dort in energieintensiven, meist mit Kohlestrom betriebenen Konversionsanlagen auf 1000 Grad Celsius erhitzt und mit Chemikalien behandelt, um Lithiumkarbonat oder Lithiumhydroxid zu erhalten.
Je Tonne raffiniertem Lithiumcarbonat Äquivalent (LCE) werden dabei laut Berechnung von Roskill neun Tonnen CO2 emittiert . Mit der steigenden Nachfrage nach Lithium in diesem Jahrzehnt, geht Roskill davon aus, dass sich die CO2-Emissionen der Lithiumproduktion bis 2030 versechsfachen werden. Die Produktion von Elektroautos ist zwar CO2-intensiver als die von Verbrennerautos, doch viele Studien kommen zu dem Schluss, dass sie im Laufe ihres Autolebens den CO2-Rucksack abbauen und insgesamt klimafreundlicher als Verbrenner sind. Dennoch bleiben Fragen offen, etwa wie effizient die Batterieherstellung werden wird und mit welchen Stromquellen die wachsende Zahl der Elektroautos geladen wird. Zudem müssen Batterien laut Herstellerempfehlung alle acht bis zehn Jahre ausgewechselt werden.
Immerhin beim Transport könnte sich die CO2-Bilanz australischen Lithiums bald verbessern. Seit Mai produziert das chinesisch-australische Joint Venture Tianqi Lithium Energy Australia als erste Lithiumraffinerie Australiens Lithiumhydroxid. Auch US-Konkurrent Albermarle hat 100 Kilometer nördlich der Greenbushes Mine eine Lithiumraffinerie aufgebaut. Doch bis beide Raffinerien genug Kapazitäten verarbeiten können, werden noch einige Jahre vergehen und viele Tonnen Lithiumerz australische Häfen in Richtung China verlassen haben.
CO2-Fußabdruck von Lithium wächst
Das Argonne National Laboratory, ein Forschungsinstitut des US-Energieminsteriums, beziffert den Anteil der CO2-Emissionen von Lithiumkarbonat in einer Lithium-Ionen-Batterie auf etwa vier Prozent. Die auf Lebenszyklusanalysen für Bergbau spezialisierte Unternehmensberatung Minviro verweist auf Marktprognosen, die davon ausgehen, dass Lithiumkarbonat künftig zunehmend durch Lithiumhydroxid ersetzt werden wird, weil es durch die höhere Energiedichte für eine größere Reichweite sorgt. Um Lithiumhydroxid zu erhalten sind zusätzliche Prozesse notwendig, die mit höherem Energieaufwand und somit auch höheren Emissionen verbunden sind.
Allerdings unterscheiden sich die Emissionen bei der Herstellung von Lithiumhydroxid stark je nach Lithiumquelle. Minviro berechnete in einer Lebenszyklusanalyse die Emissionen für unterschiedliche Quellen . Lithiumhydroxid in Batteriequalität, das aus den Salaren in Argentinien stammt, schneidet dabei mit acht Tonnen CO2 je Tonne am besten ab. Lithiumhydroxid aus australischem Spodumen kommt mit 15 Tonnen auf fast doppelt so hohe Emissionen. Schafft es die Lithiumindustrie nicht die Kohlenstoffemissionen bei der Herstellung deutlich abzusenken, wird deren Anteil, der auf das Konto von Lithium in einer Batterie geht, von vier auf 20 bis 30 Prozent wachsen.
Wasserstress im Lithiumdreieck
Als klimafreundlicher gilt die Lithiumgewinnung in Südamerika. Im sogenannten Lithiumdreieck, das sich in den trockenen Hochebenen über Chile, Argentinien und Bolivien erstreckt, befinden sich 70 Prozent der weltweiten Lithiumreserven. Das Leichtmetall wird hier aus Salzwasser gewonnen, das aus mehreren 100 Metern Tiefe an die Oberfläche in Verdunstungsbecken gepumpt wird. Der Lithiumgehalt der Sole liegt bei deutlich unter einem Prozent. Erst nach bis zu zwölf Monaten ist genug Wasser verdunstet bis sich der Lithiumgehalt auf sechs Prozent erhöht. Der Verdunstungsprozess dauert zwar lange, nutzt aber ausschließlich natürliche Sonnenenergie, was sich positiv in der CO2-Bilanz niederschlägt. Noch vor Ort wird ein Vorstufe von batteriefähigem Lithiumkarbonat hergestellt, das dann zum Großteil ebenfalls nach China zur Aufbereitung verschifft wird. Die CO2-Bilanz beträgt zwar nur ein Drittel des Lithium aus australischem Spodumen, allerdings belastet die Gewinnung aus Solaren die Wassersysteme in dem extrem trockenen Gebiet. Für eine Tonne Lithium werden bis zwei Millionen Liter Wasser verbraucht.
70 Prozent des aus Sole gewonnenen Lithiums stammen aus Gegenden, die der Water-Risk-Atlas des World Resource Institutes mit hohem Risiko für Wasser kategorisiert. Die Bewohner, meist Indigene, die am Rande der Wüste seit Jahrhunderten von Anbau und Viehwirtschaft leben, klagen über Wassermangel seit Lithium im großen Stil gefördert wird. Zwischen 2000 und 2015 wurde in der Region Atacama 21 Prozent mehr Wasser entnommen als durch Regen oder Schmelzwasser zugeführt wurde.
Blackbox Grundwassersysteme
Auch beobachten die Bewohner einen Rückgang der Zahl der Flamingos, die ihren Lebensraum an den Salzseen in bis zu über 4000 Meter Höhe haben. Die an sehr salzige Gewässer angepassten Tiere brüten dort und ernähren sich von Salinenkrebsen. Eine dieses Jahr veröffentlichte Studie britischer Forscher bestätigt nun die Beobachtung der Bewohner. Im Salar de Atacama, wo sich der Lithiumabbau konzentriert, ist die Zahl der Tiere den Autoren zufolge um zehn bis zwölf Prozent zurückgegangen. Sie führen den Verlust auf den Lithiumabbau zurück, denn in vergleichbaren Gebieten, wo kein Lithium abgebaut wird, ist die Zahl der Flamingos laut den Forschern konstant geblieben. Der Abbau verändert nämlich die Salzkonzentrationen in den Salaren, was sich auf das Ökosystem auswirkt.
Wissenschafter vermuten auch, dass die Entnahme großer Mengen des Salzwassers negative Auswirkungen auf benachbarte Süßwasserreservoirs hat, weil diese so absinken und versalzen. Die Firmen Albermarle und SQM, die in Chile Lithium abbauen, bestreiten, dass der Rückgang des Wassers mit der Lithiumförderung zu tun hat. Zwar herrscht in Chile seit zwölf Jahren eine historisch einmalige Dürreperiode, aber es gibt kaum Studien, die sich mit der Erforschung der unterirdischen Wassersysteme und den Auswirkungen des Lithiumabbaus befassen.
Die deutschen Autohersteller Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW versuchen Licht ins Dunkel in Teile ihrer Lieferketten zu bringen, indem sie Studien beauftragen und mit lokalen Stakeholder in den Dialog treten. Dieses Jahr veröffentlicht die University of Massachusetts Amherst und die University of Alaska Anchorage eine Studie , die von BMW und BASF in Auftrag gegeben wurde. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Salzwasserentnahme beim Lithiumabbau nicht mit Veränderungen bei Oberflächengewässern oder im Grundwasser korreliert. Die Autoren fanden heraus, dass das Wasser in den Ökosystemen über 65 Jahre alt ist. Das bedeutet, dass die Wassersysteme viel langsamer als bisher angenommen auf Veränderungen bei der Wassernutzung und des Klimas reagieren. Bis sich die Auswirkungen des Lithiumabbaus in den Wassersystemen zeigen, können also noch Jahrzehnte vergehen, was ein genaues Monitoring erfordert.
Im Gegensatz zu Chile, wo Lithium schon seit den 1980er Jahren abgebaut wird, ist der Lithiumbbau im großen Stil im benachbarten Argentinien noch relativ neu. Seit 2015 fördert ein Joint Venture des australischen Bergbauunternehmens Allkem, des japanischen Metallhändler Toyota Tsusho und der Regionalregierung Lithium aus dem Salar Olaroz-Cauchari. Daneben gibt es eine Reihe von Abbauprojekten in Planung. Auch die Nachbarn des Salar Olaroz-Cauchari beklagen inzwischen Probleme mit der Wasserversorgung. Gemeinsam mit Wissenschaftern und Nichtregierungsorganisationen fordern sie in Argentinien ein Moratorium für den Lithiumabbau bis die unterirdischen Wassersysteme und die Auswirkungen des Lithiumabbaus besser untersucht sind. Doch die Regierung des hochverschuldeten Staats hat großes Interesse am Lithiumabbau mitzuverdienen. Erst dieses Jahr hat das staatliche Gas- und Ölunternehmen YPF beschlossen im Westen der Provinz Catamarca in Fiambala selbst Lithium abzubauen.
BMW setzt auf DLE
Als umweltfreundlichere Alternative zu den Verdunstungsbecken gilt DLE, Direct Lithium Extraction. Diese Methode setzt das US-Unternehmen Livent bereits seit vielen Jahren erfolgreich im Salar de los Muertos in Argentinien ein. Die Methode gewährleiste eine nachhaltige Wassernutzung und die Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme würden minimiert, betont die BMW Group, die 2021 einen mehrjährigen Liefervertrag in der Höhe von 285 Millionen Euro mit Livent abgeschlossen hat. Außerdem liefere Livent, zu dessen Kunden auch Tesla zählt, wichtige Daten zu der von BMW initiierten Studie zu verantwortungsvollen Lithiumabbau, so der Konzern.
DLE umfasst eine Reihe verschiedener Techniken bei der das Lithium aus der Salzlauge gewonnen wird. Dazu zählen die chemische Ausfällung, Adsorption, Lösungsmittelextraktion oder Membrantechnologien. Die Herausforderung ist, dass DLE an die jeweilige Lithiumquelle angepasst werden muss, da die mineralische Zusammensetzung der Solen stark variiert. Das Livent-Verfahren kann also nicht eins zu eins auf andere Salare übertragen werden. Livent ist eines der wenigen Unternehmen, das Lithium mittels DLE kommerziell fördert. Firmen wie die australische Vulcan Energy, die im deutschen Rheingraben Lithium abbauen will, sucht indessen noch nach der passenden DLE-Technologie, die auch im großen Stil anwendbar ist.
Institut für seltene Erden und Metalle, November 2022